Kommentar

Das BVerfG hat mit Beschluss vom 23.6.2015 die Regelung zur Ersatzbemessungsgrundlagen für mit der Verfassung unvereinbar erklärt. Als Grund führt das Gericht an, dass die Regelung zu einer Ungleichbehandlung gegenüber den Steuerschuldnern führt, deren Grunderwerbsteuer auf der Grundlage der Regelbemessungsgrundlage erhoben wird.

Ersatzbemessungsgrundlage verfassungswidrig

Regelbemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer ist nach § 8 Abs. 1 GrEStG der Wert der Gegenleistung, insbesondere der Kaufpreis. Auf die Ersatzbemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 2 GrEStG ist zurückzugreifen

  • bei Fehlen einer Gegenleistung,
  • bei Erwerbsvorgängen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage sowie
  • bei Übertragung von mindestens 95 % der Anteile an Gesellschaften.

Kommt es auf die Ersatzbemessungsgrundlage an, bemisst sich die Grunderwerbsteuer nach den §§ 138 ff. BewG.

Aufgrund des Beschlusses des BVerfG[1] ist § 8 Abs. 2 GrEStG ab dem 1.1.2009 nicht mehr anwendbar. Das BVerfG hat dem Bundesgesetzgeber zudem aufgegeben, bis zum 30.6.2016 rückwirkend zum 1.1.2009 eine Neuregelung zu treffen. Bis zur Neuregelung dürfen in den von der Entscheidung betroffenen Fällen keine Grunderwerbsteuerbescheide mehr ergehen.

Vorläufige Steuerfestsetzungen

Die hier einschlägigen Grunderwerbsteuerfestsetzungen wurden seit April 2010 nach § 165 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO vorläufig durchgeführt.[2] Da § 8 Abs. 2 GrEStG nach der Entscheidung des BVerfG für Erwerbe nach dem 31.12.2008 nicht mehr angewendet werden kann, ist diese Anweisung gegenstandslos geworden.

Die obersten Finanzbehörden der Länder haben die gleichlautenden Erlasse aus dem Jahr 2011 nunmehr mit Erlass vom 5.10.2014 mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Über die weitere Bearbeitung der bisher vorläufig durchgeführten Festsetzungen der Grunderwerbsteuer sowie der hierfür maßgeblichen vorläufigen Feststellungen der Grundbesitzwerte nach den §§ 138 ff. BewG und der bisher vorläufig durchgeführten Feststellungen nach § 17 Abs. 2 und 3 GrEStG erfolgt nach Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung eine gesonderte Weisung.

Gesetzgeberisches Handeln

Das BVerfG hat ausgeführt, dass es einer Entscheidung, wo die verfassungsrechtliche Grenze noch hinnehmbarer Abweichungen zwischen Regel- und Ersatzbemessungsgrundlage liege, nicht bedarf. Der Ersatzmaßstab sei offensichtlich nicht alternativlos, wie das für erbschaftsteuerliche Zwecke im Anschluss an den Beschluss des BVerfG vom 7.11.2006[3] eingeführte Grundbesitzbewertungssystem der §§ 157 ff. BewG belege. Dieses komme dem Verkehrswert jedenfalls deutlich näher als die für die Grunderwerbsteuer geltenden Bewertungsregeln.

In dem nunmehr vorliegenden Entwurf eines Steueränderungsgesetzes 2015, mit dessen Inkrafttreten noch in diesem Jahr zu rechnen ist, wird durch die Änderung des Verweises in § 8 Abs. 2 Satz 1 GrEStG, der nun die Vorschriften der Grundbesitzbewertung nach § 151 i. V. m. §§ 157 ff. BewG in Bezug nimmt, die vom BVerfG eingeforderte Annäherung der als Ersatzbemessungsgrundlage ermittelten Werte an den gemeinen Wert und damit an die Regelbemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 1 GrEStG gewährleistet. In § 23 Abs. 14 Satz 1 GrEStG wird zudem bestimmt, dass die Änderung auf alle Erwerbsvorgänge anzuwenden ist, die nach dem 31.12.2008 verwirklicht werden.

Einer rückwirkenden Anwendung der neuen materiell-rechtlichen Regelungen zur Ersatzbemessungsgrundlage steht allerdings verfahrensrechtlich regelmäßig § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO entgegen. Dies gilt auch für nach § 165 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO vorläufig durchgeführte Grunderwerbsteuerfestsetzungen und für vorläufig ergangene Feststellungsbescheide über die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer. Nur in folgenden Fällen ist eine rückwirkende Anwendung der neuen materiell-rechtlichen Regelungen zur Ersatzbemessungsgrundlage möglich, weil § 176 AO nicht anwendbar ist:

  • für einen Besteuerungsfall liegt noch überhaupt keine Steuerfestsetzung oder gesonderte Feststellung vor;
  • der Steuerpflichtige hat eine bereits vorgenommene erstmalige Steuerfestsetzung oder erstmalige gesonderte Feststellung außergerichtlich mit dem Einspruch angefochten und es ist noch keine Unanfechtbarkeit eingetreten. In diesem Fall kann der Einspruchsführer aber durch eine Rücknahme seines Einspruchs eine Verböserung der angefochtenen Steuerfestsetzung verhindern;
  • der Steuerpflichtige hat eine bereits vorgenommene erstmalige Steuerfestsetzung oder erstmalige gesonderte Feststellung gerichtlich angefochten und es ist noch keine Unanfechtbarkeit eingetreten. In diesem Fall kann das Finanzgericht die Steuerfestsetzung zwar nicht verbösern, es kann aber einer anderweitig begründeten Klage die rückwirkende Neuregelung saldierend gegenüberstellen.
 

Link zur Verwaltungsanweisung

Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 5.10.2015

[2] Vgl. zuletzt gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 17.6.2011, BS...

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