FinMin Schleswig-Holstein, 21.3.2011, VI 355 - S 4521 - 113

Der für den Umfang der Gegenleistung im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG maßgebliche Gegenstand des Erwerbsvorgangs wird durch das von den Vertragsparteien gewollte wirtschaftliche Ergebnis bestimmt.

 

1. Maßgeblichkeit der vertraglichen Vereinbarungen

Ob Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück in bebautem oder unbebautem Zustand ist, richtet sich nach den Vereinbarungen der Parteien. Haben sie das bebaute Grundstück zum Vertragsgegenstand gemacht, ist es in diesem Zustand zu besteuern, unabhängig davon, ob das Grundstück im Zeitpunkt des Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts noch unbebaut war. Fehlen derartige Vereinbarungen – was häufig vorkommt – ist grundsätzlich der Zustand maßgeblich, in dem sich das Grundstück bei Vertragsabschluss befindet (Boruttau, 16. Auflage, § 9 RdNr. 136 bis 142; Pahlke/Franz 3. Auflage, § 9 Rz. 6).

 

2. Künftiger Grundstückszustand als Gegenstand des Erwerbsvorgangs

Die Frage, in welchem Zustand ein Grundstück zu besteuern ist, stellt sich insbesondere dann, wenn getrennte Verträge über den Erwerb des Grundstücks und über die Errichtung eines Gebäudes abgeschlossen werden. Solche Verträge können bereits zivilrechtlich verknüpft sein (siehe Ziffer 2.1), sie können aber auch nach den besonderen grunderwerbsteuerlichen Grundsätzen als Einheit zu behandeln sein (siehe Ziffer 2.2).

 

2.1 Zivilrechtliche Verknüpfung des Grundstücksvertrags und des Bauvertrags (rechtlicher Zusammenhang)

Treffen die Parteien selbständige Vereinbarungen über die Verpflichtung zur Grundstücksübertragung und über die Gebäudeerrichtung, ist für die Beurteilung dieser Verträge entscheidend, ob sich aus den Gesamtumständen der Parteiwille ergibt, dass nur ein einheitlicher Vertrag vorliegen soll (Boruttau, a.a.O., § 9 RdNr. 161a, 161b). Indizien für einen dahingehenden Parteiwillen sind:

  • Bezeichnung im Vertragstext
  • Zusammenfassung der Vereinbarungen in einer Urkunde
  • ein einheitlicher Preis.

Bei Vorlage eines einheitlichen Vertrags geht der Bundesfinanzhof davon aus, dass Gegenstand des Erwerbsvorgangs das bebaute Grundstück ist (vgl. BFH vom 13.4.1983, BStBl 1983 II S. 606).

Liegen zwei oder mehrere Verträge vor, sind sie als ein einheitlicher Vertrag zu werten, wenn ihre Gültigkeit ausdrücklich voneinander abhängig ist (vgl. BGH-Urteil vom 24.11.1983, VII ZR 34/83, NJW 1983 S. 869) oder – auch ohne ausdrückliche Bestandsverknüpfung –, wenn sie nach dem Willen der Parteien derart voneinander abhängig sind, dass sie miteinander „stehen und fallen” sollen.

Dabei reicht es aus, wenn nur eine der Vertragsparteien einen solchen Einheitswillen erkennen lässt und die andere Partei ihn anerkennt oder zumindest hinnimmt (vgl. BGH-Urteil vom 24.11.1983, a.a.O.; Boruttau, a.a.O. § 9 RdNr. 162a). Ob die Vereinbarungen miteinander „stehen und fallen”, ist unter Berücksichtigung der Interessenslage der Vertragsparteien, ihrem Verhalten vor und bei Vertragsabschluss und dem tatsächlichen Geschehensablauf zu ermitteln (Boruttau, a.a.O. § 9 RdNr. 162b; BFH vom 13.8.2003, BFH/NV 2004 S. 663 und BFH vom 21.9.2005, BFH/NV 2006 S. 683).

Für eine Vertragsverknüpfung sprechen:

  • Baubeginn vor Vertragsabschluss (Pahlke/Franz, a.a.O., § 9 Rz. 6; BFH vom 21.12.1981, BStBl 1982 II S. 330),
  • Fehlen einer Vereinbarung aller Erwerber über die gemeinsame Baufertigstellung (Boruttau, a.a.O., § 9 RdNr. 162b),
  • Grundstücksverkäufer veräußert nur an Erwerber, die vorher eine Treuhandvollmacht zum Abschluss der übrigen Verträge erteilt haben (Boruttau, a.a.O., § 9 RdNr. 162b; BFH vom 28.10.1998, BFH/NV 1999 S. 667).

Der Vertragsverknüpfung steht nicht entgegen:

  • dass die Vereinbarungen in unterschiedlichen Urkunden niederlegt wurden (Boruttau, a.a.O., § 9 RdNr. 162b),
  • dass – wenn auf der Veräußererseite mehrere Personen beteiligt sind – der Verkäufer und das mit der Gebäudeerrichtung beauftragte Unternehmen nicht identisch sind.

Die rechtliche Einheit mehrerer Verträge hat zur Folge, dass alle Verträge beurkundungspflichtig sind (Boruttau, a.a.O., § 9 RdNr. 172; Pahlke/Franz, a.a.O., § 9 Rz. 15). In der Praxis werden hiervon betroffene Bauverträge gleichwohl oft nicht beurkundet, ihre (zeitweilige) Unwirksamkeit nehmen die Beteiligten in Kauf. Sie wird nach § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB n.F. (§ 313 Satz 2 BGB a.F.) durch Eintragung des Eigentümerwechsels im Grundbuch geheilt. Nach dem BFH-Urteil vom 19.1.1994, BStBl 1994 II S. 409 unterliegt ein infolge unvollständiger Beurkundung unwirksames (nichtiges) Rechtsgeschäft gleichwohl der Steuer (§ 41 Abs. 1 AO i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG), wenn die Beteiligten ihren Erklärungen gemäß auf die Erfüllung hinwirken (Boruttau, a.a.O., § 9 RdNr. 172; Pahlke/Franz a.a.O., § 9 Rz. 15).

Die zivilrechtliche Einheit von getrennten Verträgen führt zu einer Besteuerung des bebauten Grundstücks (Boruttau, a.a.O., § 9 RdNr. 162b). Die (schwierigen) Zivilrechtsfragen haben für die Grunderwerbsteuer jedoch an Bedeutung verloren, weil auch bei fehlender zivilrechtliche...

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