FinMin Baden-Württemberg, 25.7.2002, 3 - S 4521/13

In welchem Umfang bei einem Grundstück Erschließungsbeiträge als sonstige Leistungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen sind, richtet sich danach, in welchem tatsächlichen Zustand das Grundstück zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs gemacht wurde.

 

1. Das Grundstück ist im Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs bereits erschlossen

Sind sämtliche nach dem örtlichen Baurecht vorgeschriebenen öffentlichen Erschließungsanlagen, die ein Grundstück zu einem „erschlossenen Grundstück” machen, im Zeitpunkt des Abschlusses des Erwerbsvorgangs bereits vorhanden, kann Gegenstand eines solchen Vertrags nur das „erschlossene” Grundstück sein, selbst wenn nach den Vertragserklärungen das Grundstück als „unerschlossen” erworben werden soll. Es liegt nicht in der Willensmacht der Beteiligten, ein Grundstück in einem Zustand zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs zu machen, den es nicht mehr hat und auch nicht mehr erhalten soll. Zu den Erschließungsanlagen gehören im Wesentlichen die Verkehrs- und Grünanlagen sowie die Anlagen zur Ableitung von Abwässern und zur Versorgung mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser. Nicht zu den Erschließungsanlagen gehören die auf den (Privat-)Grundstücken selbst notwendigen Anschlüsse wie Zufahrtswege und Anschlüsse an die Ver- und Entsorgungseinrichtungen (BFH-Urteil vom 15.3.2001, BStBl 2002 II S. 93). Die Merkmale der endgültigen Erschließung sind von der Gemeinde durch Satzung geregelt § 132 Nr. 4 BauGB). Wird ein in diesem Sinn erschlossenes Grundstück zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs, ist Gegenleistung für den Erwerb des Grundstücks grundsätzlich auch der auf die Erschließung entfallende Betrag, unabhängig davon, ob er im Kaufpreis enthalten ist oder neben dem Kaufpreis gesondert ausgewiesen wird. Dies gilt nicht, wenn die Kommune eigene erschlossene Grundstücke veräußert und den Erschließungsbeitrag abgabenrechtlich geltend macht.

 

2. Das Grundstück ist im Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs noch nicht erschlossen

a) Wird ein im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags noch nicht erschlossenes Grundstück als solches zum Gegenstand der zivilrechtlichen Übereignungsverpflichtung gemacht, ist die vom Käufer eingegangene Verpflichtung, die zukünftige Erschließung zu bezahlen, nicht als Teil der Gegenleistung anzusehen, auch wenn sie zusammen mit der Übereignungsverpflichtung beurkundet wird. Die Einbeziehung der Erschließungskosten nach den Grundsätzen zum Erwerb eines Grundstücks im zukünftig bebauten Zustand scheidet wegen des sich aus der öffentlich-rechtlichen Erschließungslast der Gemeinde ergebenden besonderen Charakters der Grundstückserschließung regelmäßig aus (BFH-Urteil vom 15.3.2001, a.a.O.). Gleiches gilt für die Erstattung der vom Verkäufer als Vorausleistung oder auf Grund einer Ablösungsvereinbarung bereits geleisteten Zahlung und für die Übernahme noch bestehender Verpflichtungen.

b) Hat der Verkäufer die Verpflichtung übernommen, das Grundstück im erschlossenen Zustand zu verschaffen, wird das Grundstück in diesem Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs, mit der Folge, dass der auf die Erschließung entfallende Teil des Kaufpreises Gegenleistung für den Erwerb des Grundstücks darstellt. Hat sich dagegen der Verkäufer durch eine weitere rechtlich selbstständige Vereinbarung (Werkvertrag, Geschäftsbesorgungsvertrag) neben der Grundstücksübertragung auch selbst zur Durchführung der Erschließung verpflichtet, ist das Entgelt hierfür nicht als Gegenleistung für die Grundstücksübertragung zu behandeln, auch wenn beide Verpflichtungen zusammen beurkundet werden. Für die rechtliche Selbstständigkeit beider Verpflichtungen sprechen folgende Indizien (BFH-Urteil vom 9.5.1979, BStBl 1979 II S. 577):

  • zwei selbstständige Geldforderungen,
  • unterschiedliche Leistungspflichten des Veräußerers,
  • selbstständige Fälligkeiten beider Forderungen,
  • rechtliche Unabhängigkeit des Kaufvertrags von der Durchführung der Erschließung.

Dieser Erlass ist im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der anderen Länder ergangen. Er tritt an die Stelle des Erlasses vom 4.9.1989 (Rheinland-Pfalz) in der zuletzt durch Erlass vom 27.6.2001, 3 – S 4521/13 geänderten Fassung, der hiermit aufgehoben wird.

 

Normenkette

GrEStG 1983 § 9

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