Auseinanderfallen der Rechtsgeschäfte: In der Regel fallen beim Verkauf von Geschäftsanteilen einer GmbH

  • der Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts und
  • die eigentliche Abtretung

wegen der durch die Kaufpreiszahlung aufschiebend bedingten Abtretung auseinander.

Doppelte GrESt? Werden 90 % der Anteile oder mehr übertragen, droht nach Inkrafttreten der GrESt-Reform ggf. das Entstehen doppelter GrESt.

1. Stimmen in der Literatur

In der Literatur[8] wird diskutiert, ob bereits bei Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts (Signing) der § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG erfüllt wird, wenn Gegenstand der Übertragung 90 % oder mehr der Anteile sind. Kommt es zur Abtretung (Closing), soll ggf. doppelt der Steuertatbestand des § 1 Abs. 2 b GrEStG erfüllt sein.

 

Beispiel

A ist Alleingesellschafter der X-GmbH, die im Inland Eigentümerin mehrerer Grundstücke ist. A verkauft an B aufgrund notariellen Vertrags vom 7.12.2022 100 % der Anteile an der X-GmbH. Der Verkauf ist aufschiebend bedingt durch die Kaufpreiszahlung. Die Kaufpreiszahlung erfolgt zum 30.1.2023. Demgemäß wird die Abtretung zum 30.1.2023 wirksam vollzogen.

Wie oben bereits beschrieben, ist in der Literatur[9] bislang diskutiert worden, ob für diesen Fall doppelte GrESt entsteht.

Problem: Zwar enthalten die Vorschriften des § 1 Abs. 3 GrEStG und des § 1Abs. 3 a GrEStG jeweils eine Subsidiaritätsklausel ("soweit eine Besteuerung nach den Absätzen 2a und 2b nicht in Betracht kommt"). Nach Ansicht in der Literatur soll es aber von dieser Subsidiarität nicht erfasst sein, wenn zwei zeitlich auseinanderfallende Anknüpfungspunkte für die Entstehung der GrESt – wie vorliegend mit Signing und nachgelagertem Closing – gegeben sind.

[8] Zum Stand der Diskussion: vgl. Behrens/Klinger, DStR 2021, 2870 (2876); Behrens/Wagner/Krohn, DB 2022, 1667 ff.
[9] Zum Stand der Diskussion: vgl. Behrens/Klinger, DStR 2021, 2870 (2876); Behrens/Wagner/Krohn, DB 2022, 1667 ff.

2. Sichtweise der Finanzverwaltung

Die Finanzverwaltung hat sich nunmehr durch gleichlautenden Ländererlass vom 10.5.2022 (dort Tz. 8.1 bis Tz. 8.2) geäußert:

„Mit Übergang der Anteile (Closing) werden sowohl § 1 Absatz 2b GrEStG als auch § 1 Absatz 3 Nummer 2 oder 4 GrEStG verwirklicht. Ändert sich der Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft im Nachgang eines schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts (Signing), fallen die Besteuerungszeitpunkte des § 1 Absatz 2b GrEStG und des § 1 Absatz 3 Nummer 1 oder 3 GrEStG auseinander: Während mit Abschluss des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts (Signing) § 1 Absatz 3 Nummer 1 und 3 GrEStG verwirklicht wird, wird der Tatbestand des § 1 Absatz 2b GrEStG erfüllt, wenn es zum Übergang des Anteils (Closing) an der Kapitalgesellschaft kommt. Die beiden Rechtsvorgänge (Signing und Closing) stellen zwei grunderwerbsteuerrechtliche Vorgänge dar.

Im Zeitpunkt des Signing erfolgt eine Festsetzung nach § 1 Absatz 3 Nummer 1 oder 3 GrEStG. Im Zeitpunkt des Closing erfolgt eine Festsetzung nach § 1 Absatz 2b GrEStG und die Festsetzung nach § 1 Absatz 3 Nummer 1 oder 3 GrEStG (im Zeitpunkt des Signing) ist bei Grundstücksidentität aufzuheben oder zu ändern. Eine Festsetzung nach § 1 Absatz 3 GrEStG ist grundsätzlich nur in den Fällen geboten, in denen bis zu einem Jahr nach Kenntnisnahme der Finanzverwaltung von dem steuerbegründenden Sachverhalt eine Besteuerung nach § 1 Absatz 2b GrEStG nicht zu erwarten ist. Zudem muss der Grundstücksbestand im Zeitpunkt des Closing und Signing identisch sein.”[10]

Beraterhinweis Es handelt sich bei diesen Regelungen inhaltlich um Billigkeitsbestimmungen. Ob diese Regelung einer Prüfung des BFH standhält, bleibt abzuwarten. Beispielsweise in der Entscheidung zum Sanierungserlass hat der BFH[11] mit Verweis auf den Vorrang des Gesetzes die Absage an eine Verwaltungspraxis erteilt, abstrakt-generell einen steuerlichen Erlass zu gewähren und sich insoweit de facto zum Gesetzgeber aufzuschwingen. Gerichte sind grundsätzlich nicht an Erlasse der Finanzverwaltung gebunden.

[10] Weiterführend: Behrens/Wagner/Krohn, DB 2022, 1667 ff. Vorsorglich ggf. Anzeige nach § 19 GrEStG sowohl beim Signing als auch beim Closing.
[11] BFH v. 28.11.2016 – GrS 1/15, BStBl. II 2017, 393 = GmbH-StB 2017, 98 (Siebenhüter).

3. Gestaltungsüberlegungen

Rechtssichere Klarheit im Hinblick auf eine beabsichtigte Transaktion

  • kann daher nur die Einholung einer verbindlichen Auskunft geben.
  • Alternativ kann die Dealstruktur ggf. so gewählt werden, dass von vorneherein kein Anknüpfungspunkt für die doppelte GrESt besteht.

Zu denken ist etwa daran, dass eine Beteiligung von weniger als 90 % übertragen oder das Grundstück selbst noch vor Abschluss des Anteilskaufvertrags an eine vom Erwerber benannte Gesellschaft übertragen wird.

4. Verfahrensrechtliche Aspekte

Zudem sollte in der Praxis nach Möglichkeit drauf gedrungen werden, dass die GrESt-Festsetzung für das Signing unter Vorbehalt der Nachprüfung erfolgt (§ 164 AO). Alternativ möglich wäre ein Vorläufigkeitsvermerk gem. § 165 AO. § 175 AO (rückwirkendes Ereignis) soll nach Ansicht der Finanzverwaltung nicht anwendbar sein.

Wird vom Finanzamt die Gr...

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