Leitsatz

1. Soweit die tatsächlich erhaltene Gegenleistung nicht in Geld, sondern in Sachgütern besteht, ist der Veräußerungspreis mit dem gemeinen Wert anzusetzen.

2. Für die Bewertung kommt es auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Erfüllung der Gegenleistungspflicht an, wenn diese von den Verhältnissen im Zeitpunkt der Entstehung des Veräußerungsgewinns abweichen. Eine Veränderung der wertbestimmenden Umstände wirkt materiell-rechtlich auf den Zeitpunkt der Entstehung des Veräußerungsgewinns zurück.

 

Normenkette

§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger brachte eine Aktienbeteiligung i.S.v. § 17 EStG im Wege der Sachkapitalerhöhung in eine AG ein gegen Übertragung einer bestimmten Anzahl neuer Aktien der aufnehmenden Gesellschaft. Streitig war die steuerlich maßgebliche Höhe des Veräußerungspreises. FA und FG (FG Münster, Urteil vom 2.10.2014, 1 K 1611/11 E, Haufe-Index 7708573, EFG 2015, 204) bewerteten die vom Kläger erhaltenen Aktien mit dem Börsenkurs bei Entstehung des Veräußerungsgewinns. Der Kläger begehrte dagegen den Ansatz des niedrigeren Kurses bei Einbuchung der erhaltenen Aktien in sein Depot.

 

Entscheidung

Die Revision des Klägers hatte Erfolg. Der BFH hat die Vorentscheidung aufgehoben und der Klage stattgegeben.

 

Hinweis

"Veränderungen beim Veräußerungspreis" sind nach der Rechtsprechung des Großen Senats (Beschluss vom 19.7.1993, GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897) bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns zu berücksichtigen, soweit sie zwischen der Entstehung des Veräußerungsgewinns und der vollständigen Erfüllung des Vertrags eintreten. Streitig und noch nicht höchstrichterlich geklärt war, ob dies nur für Leistungsstörungen gilt oder auch Veränderungen einschließt, die sich außerhalb des Vertrags vollziehen, aber die Höhe der erhaltenen Gegenleistung beeinflussen (hier: Veränderung des Aktienkurses bei Anspruch auf Lieferung von Aktien). Der IX. Senat hat sich für die weite Auffassung entschieden:

1. Der Aktientausch fällt als Veräußerungsgeschäft unter § 17 EStG.

2. Der Gewinn aus der Veräußerung einer Beteiligung i.S.v. § 17 EStGentsteht, sobald der Anspruch auf die Gegenleistung nach handelsrechtlichen Grundsätzen realisiert ist. Das ist in der Regel der Fall, sobald die eigene Leistung (Hauptleistung) erbracht ist. Im Streitfall hatte der Kläger seine Aktien bereits im Tauschvertrag als Sachkapitalerhöhung in die aufnehmende Gesellschaft eingebracht und damit seine Leistungspflicht erfüllt. Die im Gegenzug versprochenen neuen Aktien der aufnehmenden Gesellschaft konnten dem Depot des Klägers erst gutgebracht werden, nachdem die Kapitalerhöhung in das Handelsregister eingetragen war. Dadurch kam es zu einer großen Lücke zwischen dem Zeitpunkt der Entstehung des Veräußerungsgewinns (Einbringung) und der vollständigen Erfüllung des Vertrags.

3. Besteht die Gegenleistung nicht in Geld, sondern in Sachgütern (hier: Aktien), ist sie zu bewerten. Stichtag für die Bewertung ist der Tag, an dem der Veräußerungsgewinn entstanden ist. Nachträgliche Veränderungen beim Veräußerungspreis sind jedoch rückwirkend zu berücksichtigen (s.o.). Das gilt grundsätzlich in gleicher Weise für § 16 EStG wie für § 17 EStG.

a) Eine Leistungsstörung wird dafür nicht vorausgesetzt. Daran fehlte es vorliegend. Die aufnehmende Gesellschaft hatte die vereinbarte Anzahl neuer Aktien geliefert. Für den Fall eines zwischenzeitlichen Wertverfalls der Aktien war im Tauschvertrag eine Anpassung der Gegenleistung nicht vorgesehen, für eine (wohl erwartete) Kurssteigerung natürlich auch nicht. Die Vertragspartner hatten damit dem Kläger einseitig das Kursrisiko in voller Höhe zugewiesen.

b) Der BFH hat nun entschieden, dass der zwischenzeitlich eingetretene Kursverlust die steuerlich maßgebliche Höhe des Veräußerungspreises beeinflusst. Für einen etwaigen Kursgewinn gilt dasselbe. Der Rechtsprechung des Großen Senats sei nicht zu entnehmen, dass sie nur die für Fälle von Leistungsstörungen gelten solle. Der Große Senat habe vielmehr betont, dass der Veräußerungsgewinn in zutreffender Höhe erfasst werden müsse. Das schließt die steuerliche Berücksichtigung von Wertveränderungen ein.

c) Entsprechend hatte der Senat bereits entschieden, dass Veränderungen beim Währungskurs von § 17 EStG erfasst werden, wenn die Gegenleistung in ausländischer Währung erbracht wird und deshalb umgerechnet werden muss (vgl. BFH, Urteil vom 18.11.2014, IX R 30/13, BFH/NV 2015, 489). Auch der Währungskursunterschied wird dadurch positiv wie negativ steuerlich bedeutsam. Umzurechnen ist dann grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Entstehung des Veräußerungsgewinns, bei nachträglicher Erfüllung des Anspruchs auf die Gegenleistung aber wohl erst auf diesen Zeitpunkt. Darüber hat der BFH in der zitierten Entscheidung allerdings nicht entschieden, weil der Veräußerungsgewinn aus anderen Gründen steuerfrei blieb.

4. Nach diesen Grundsätzen kamen im Streitfall für die Bewertung im Wesentlichen drei Werte in Betracht. Erstens der vereinbarte Wert von 24 EUR je...

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