Leitsatz

1. "Vergütung" i.S.d. § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG kann jeder Vorteil von wirtschaftlichem Wert sein, den der Steuerpflichtige im Rahmen der jeweiligen Einkunftsart erzielt.

2. Die gebotene Einschränkung des weiten Tatbestands des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG wird dadurch bewirkt, dass die begünstigten Einkünfte "außerordentliche" sein müssen, wozu auch gehört, dass die Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten eine entsprechende Progressionswirkung typischerweise erwarten lässt. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist auch bei Steuerpflichtigen, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb beziehen und diese durch Betriebsvermögensvergleich ermitteln, nicht von vornherein ausgeschlossen.

3. Der Ertrag aufgrund der geballten Nachaktivierung von Umsatzsteuer-Erstattungsansprüchen für sechs Jahre, die darauf beruhen, dass der EuGH die gesamte Tätigkeit des Steuerpflichtigen für umsatzsteuerfrei hält, ist bei einem bilanzierenden Gewerbetreibenden als tarifbegünstigte Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten anzusehen.

4. Forderungen, die am maßgebenden Bilanzstichtag vom jeweiligen Schuldner noch bestritten werden, dürfen nicht aktiviert werden.

 

Normenkette

§ 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG, § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB

 

Sachverhalt

Der Kläger betrieb einen Spielsalon mit Geldspielautomaten. Für die Jahre 1997 bis 2002 waren die gegen ihn ergangenen Umsatzsteuer-Festsetzungen im Hinblick auf die seinerzeit umstrittene Umsatzsteuerpflicht der Umsätze mit Geldspielautomaten zunächst nicht bestandskräftig geworden. Im Jahr 2005 wurde höchstrichterlich geklärt, dass derartige Umsätze nach damaliger Rechtslage von der Umsatzsteuer befreit waren (EuGH, Urteil vom 17.2.2005, C-453, 462/02 – Linneweber und Akritidis, Slg. 2005, I-1131; BFH, Urteil vom 12.5.2005, V R 7/02, BFHE 210, 164, BStBl II 2005, 617). Für den Kläger ergab sich hieraus für die Jahre 1997 bis 2002 ein Umsatzsteuer-Erstattungsanspruch von circa 72.000 EUR, der ab 2006 an ihn ausgezahlt wurde. Das FA aktivierte den Erstattungsanspruch im Jahresabschluss zum 31.12.2005. Der Kläger war der Auffassung, es handele sich um die Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit, die nach § 34 Abs. 1, 2 Nr. 4 EStG zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes führen müsse. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg (FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17.3.2011, 5 K 518/09, Haufe-Index 2749174).

 

Entscheidung

Die Revision des Klägers war aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen erfolgreich. Sie führte im Ergebnis zur antragsgemäßen Herabsetzung der Steuer.

 

Hinweis

Die Erkenntnisse dieses Urteils des X. Senats deuteten sich bereits in seiner Entscheidung vom 23.10.2013, X R 3/12 (BFHE 243, 287, BStBl II 2014, 58) an, in der er eine einmalige Kapitalabfindung aus einem Versorgungswerk in den Anwendungsbereich des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG einbezog, obwohl daneben noch laufende Altersbezüge zuflossen. Entscheidend war, dass eine atypische Zusammenballung von Einkünften gegeben war.

1. Auch in diesem Urteil legt der X. Senat den Anwendungsbereich des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG zunächst sehr weit aus:

So sind Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten nicht nur bei Überschusseinkünften von § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG gegeben, sondern auch bei Gewinneinkünften, unabhängig davon, ob der Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich oder Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelt wird.

Auch die Auslegung des bislang weder gesetzlich noch höchstrichterlich definierten Begriffs der Vergütung ist weitreichend: Nach Auffassung des X. Senats kommen als Vergütungen alle Vorteile von wirtschaftlichem Wert in Betracht, die der Steuerpflichtige im Rahmen der jeweiligen Einkunftsart erzielt.

2. Diese sehr weite Auslegung des X. Senats findet im Rahmen der Anwendung des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG jedoch dadurch ihr notwendiges Korrektiv, dass die Einkünfte außerordentlich sein müssen, wozu auch eine typischerweise eintretende Progressionswirkung gehört.

3. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung liegt eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit gem. § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG z.B. vor, wenn sie aufgrund einer vorangegangenen rechtlichen Auseinandersetzung atypisch zusammengeballt zufließt.

Bei den im Streitfall zu beurteilenden Umsatzsteuer-Erstattungen trat nicht nur im Einzelfall, sondern "typischerweise" eine Progressionswirkung ein. Der durch die Umsatzsteuer-Erstattungen bewirkte zusätzliche Gewinn führt typischerweise zu erheblichen Progressionswirkungen.

Allein der Umstand, dass sich die zusammengeballt zu versteuernde Vergütung aus mehreren Beträgen zusammensetzt, die jeweils einem bestimmten Einzeljahr zugerechnet werden können, steht der Annahme einer "mehrjährigen" Tätigkeit nicht entgegen. Abzustellen ist nicht auf den einzelnen Umsatz, für den das Entgelt nachträglich realisiert wird, sondern auf die geballte Realisierung der während eines Zeitraums erzielten Entgelt-Anteile.

Gestaltungs- oder Missbrauchsmöglichkeiten ergeben sich aus dieser Rechtsprechung nicht: Ob eine bestimmte Einnahme erst nach Führung eines Rechtsstreits realisierba...

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