Leitsatz

1. Ein englisches Universitäts-College kann in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht einer Stiftung nach deutschem Recht i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG entsprechen.

2. Das Fehlen von Satzungsbestimmungen zur Vermögensbindung ist nach § 62 AO a.F. unschädlich, wenn das College einer Stiftungsaufsicht unterliegt, die in ihren wesentlichen Belangen der deutschen Stiftungsaufsicht vergleichbar ist.

3. Die Auslegung der Satzung eines englischen Colleges wird im Revisionsverfahren nur darauf überprüft, ob die vom FG vorgenommene Auslegung ohne Verfahrensverstoß zustande gekommen ist und gegen allgemeine Denkgesetze verstößt.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1 Nr. 5, § 2 Nr. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 9, Abs. 2 Nr. 2 KStG, § 14, § 51 Abs. 2, § 52, § 55, § 57, § 62 AO, § 62 AO a.F.

 

Sachverhalt

Die Klägerin, ein College im Vereinigten Königreich, wurde im Jahre 1555 von X als "immerwährendes Kollegium des Studiums der Wissenschaften, der heiligen Theologie und der Philosophie wie der guten Künste" errichtet. Dem Errichtungsakt erteilten der König und die Königin von England ihre Erlaubnis ("Royal Patent"). Neben dieser Gründungsurkunde besteht das die Klägerin konstituierende Regelwerk aus ihren Statuten (I bis XXVI), derzeit i.d.F. vom 23.4.2007.

Die Klägerin ist Alleingesellschafterin der "… Ltd." (Tochtergesellschaft). Diese betreibt ein gleichnamiges Gasthaus und führte ihre Gewinne i.H.v. 47.000 Pfund (Streitjahr) und 66.000 Pfund (Vorjahr) an die Klägerin ab. Das College verwendete diese Gewinne zur Finanzierung von Stipendien für Studierende.

Seit 2007 ist die Klägerin auch Eigentümerin eines Wohn- und Geschäftsgrundstücks in Berlin, aus dem sie im Streitjahr Einkünfte aus VuV erzielte.

Das FA erließ am 15.12.2010 einen Schätzbescheid zur KSt 2009, in dem es von Einkünften i.H.v. 375.000 EUR ausging. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Demgegenüber gab das FG der Klage statt (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.7.2014, 4 K 12276/11, EFG 2014, 2168). Der BFH hob das Urteil des FG auf und verwies die Sache wegen fehlender Feststellungen an das FG zurück (BFH, Urteil vom 25.10.2016, I R 54/14, BFHE 256, 66, BStBl II 2017, 1216). Auch im zweiten Rechtsgang gab das FG der Klage statt (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.6.2018, 9 K 11080/17, Haufe-Index 14207665, EFG 2019, 793).

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz. Diese habe zutreffend entschieden, dass die Klägerin sowohl nach ihrer Satzung als auch nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung gemeinnützigen Zwecken dient und sie daher gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der KSt befreit ist.

 

Hinweis

1. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 59 AO müssen die Satzungszwecke und die Art ihrer Verwirklichung so genau bestimmt sein, dass bereits aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung gegeben sind.

Diese formelle Satzungsmäßigkeit kann sich auch aus einer bis heute geltender Gründungsurkunde aus dem Jahr 1555 ("Royal Patent") ergeben. Ausreichend ist dabei, dass die historische Gründungsurkunde die Zwecke mit dem "Studium der Wissenschaften, der heiligen Theologie und der Philosophie wie der guten Künste" beschreibt, da sich daraus eine Förderung von Wissenschaft und Forschung (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO) sowie der Religion (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) ergibt, und weitergehend bestimmt wird, auf welche Art und Weise diese Zwecke verwirklicht werden sollen. Letzteres kann sich daraus ergeben, dass das Erarbeiten von Lehrplänen, die Lehrtätigkeit durch die "Senior Research Fellows" und durch Tutoren und Lehrbeauftragte, das Erteilen religiösen Unterrichts durch geeignete Kirchenmitglieder sowie Forschungstätigkeiten verfolgt werden.

2. Im Hinblick auf die Selbstlosigkeit nach § 55 Abs. 1 AO reicht es aus, dass nach den Statuten zu den Ausgaben des Colleges die Ausgaben "für Col­legezwecke" sowie Gebühren für universitäre Zwecke gehören. Der Erhalt von Gewinnanteilen oder die Zuwendung von sonstigen Mitteln des Colleges nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 AO für "Mitglieder" ist zudem bereits dann ausgeschlossen, wenn es an Gesellschaftern oder Mitgliedern fehlt.

3. Angaben zur Ausschließlichkeit in der Satzung sind in einem Revisionsverfahren nicht überprüfbar, da sich die rechtliche Würdigung des erstinstanzlichen FG auf ausländisches Recht bezieht, während nach § 118 Abs. 1 FGO die Revision nur darauf gestützt werden kann, dass das angefochtene Urteil auf einer Verletzung von Bundesrecht beruht, nicht aber auf der Verletzung ausländischen Rechts. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es sich bei einer Satzung nach ausländischem Recht um "Recht" i.S.v. § 118 Abs. 1 FGO handelt oder Satzungen lediglich revisionsrechtlich wie Rechtsnormen behandelt werden. Daher war der BFH im Streitfall daran gehindert zu entscheiden, ob die Würdigung des FG zutrifft, wonach bei verständiger historischer Auslegung die Aufzählung der Zwecke des Colleges das Gebot der Ausschließlichkeit gleichsam in sich selbst trägt. Ähnlich wie bei Tat...

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