Leitsatz

Funktionstraining, das von den Krankenkassen nach § 43 SGB V i.V.m. der "Gesamtvereinbarung über den Rehabilitationssport und das Funktionstraining" vergütet wird, kann nach § 4 Nr. 14 S. 1 UStG steuerfrei sein.

 

Normenkette

§ 4 Nr. 14 UStG 1993, Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Die Klägerin (Diplom-Sportlehrerin) beanspruchte erfolglos die Steuerbefreiung für ihre Kurse zur Verbesserung der Körperhaltung und Entlastung des Bewegungsapparats, zur Organgymnastik für die Kräftigung der inneren Organe, zur Atemtherapie für die bessere Durchblutung der Organe, zum isometrischen Muskeltraining für die Vorsorge gegen Osteoporose und zum Funktionstraining (Trockengymnastik) in Rheumagruppen. Die Kosten für einige der Kurse wurden von Krankenversicherungen auf unterschiedlicher Rechtsgrundlage (§ 20 oder § 43 SGB V) getragen.

Das FG gab der Klage statt (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.08.2005, 2 K 1393/01, Haufe-Index 1718184, EFG 2007, 804).

 

Entscheidung

Der BFH hob das Urteil auf. Eine Heilbehandlung liege nicht schon deswegen vor, weil die betreffende Leistung in den Heilmittelrichtlinien nicht als nicht verordnungsfähig aufgezählt ist. Der BFH verwies die Sache an das FG zurück, weil entscheidungserhebliche Feststellungen zum Funktionstraining fehlten.

 

Hinweis

1. Die Entscheidung betrifft § 4 Nr. 14 UStG i.d.F. vor 01.01.2009. Sie ist auch für die Neuregelung von Bedeutung. Zu den nach Gemeinschaftsrecht zu begünstigenden Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin gehören auch Leistungen zur Vorbeugung. Keine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin sind dagegen "ärztliche Leistungen", "Maßnahmen" oder "medizinische Eingriffe" zu anderen Zwecken, ohne konkreten therapeutischen Bezug.

2. Die erforderliche Berufsqualifikation kann sich aus einer berufsrechtlichen Regelung, aus der Zulassung des jeweiligen Unternehmers oder der regelmäßigen Zulassung seiner Berufsgruppe gem. § 124 Abs. 2 SGB V, aus der Aufnahme der betreffenden Leistungen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nach § 92 SGB V oder der Qualifikation ergeben, die in einem Versorgungsvertrag gem. § 11 Abs. 2, §§ 40, 43 und 111 SGB V für Leistungen von Fachkräften zur medizinischen Rehabilitation benannt ist.

3. Leistungen zur Prävention und Selbsthilfe i.S.d. § 20 SGB V sollen lediglich den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern und insbesondere einen Beitrag zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen erbringen. Sie haben keinen unmittelbaren Krankheitsbezug und sind daher nicht steuerbefreit. Anders dagegen Leistungen nach § 43 Nr. 1 SGB V (betr. ergänzende Leistung zur Förderung des Rehabilitationssports, der Versicherten ärztlich verordnet und in Gruppen unter ärztlicher Betreuung ausgeübt wird). Die im Streitfall noch nicht geltende Neufassung ab 2000 erwähnt ausdrücklich auch das "Funktionstraining" (das – nicht ohne medizinische Indikation – bei chronisch Kranken die Krankheitsverläufe günstig beeinflussen soll). Denselben Effekt hatte bereits ab 1994 eine "Gesamtvereinbarung" zwischen Trägern der Sozialversicherung, die den Inhalt der geförderten Leistungen und die Qualifikationserfordernisse Leistenden konkretisiert.

Entsprechende Leistungen sind deshalb umsatzsteuerbefreit, und es ist von der Qualifikation des Unternehmers auszugehen, wenn die Kosten dieser Leistungen hach § 43 SGB V in Verbindung mit der Gesamtvereinbarung ersetzt werden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 30.04.2009 – V R 6/07

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