1 Unterrichtungspflicht und Rechtsstaatlichkeit

 

Rz. 1

Das Verfahren zur Ermittlung, Festsetzung und Auszahlung der Zulage läuft unter der Vorgabe eines möglichst "schlanken" Verwaltungsverfahrens in wesentlichen Teilen maschinell ausgestaltet ohne Beteiligung des Zulageberechtigten ab (§ 90 EStG Rz. 1). Die in § 92 EStG vorgesehene Unterrichtung des Zulageberechtigten vermag diese Beteiligungsdefizite nur zu mildern, nicht zu kompensieren. Sie garantiert lediglich ein Minimum an Rechtsstaatlichkeit im Zulageverfahren. Die "Bescheinigung" des § 92 EStG hat die Funktion einer nachträglichen Unterrichtung des am laufenden Zulageverfahren nicht beteiligten Betroffenen und tritt an die Stelle des nach allgemeinem Verständnis öffentlicher Verwaltung eigentlich erforderlichen Verwaltungsakts als Grundlage einer möglichen forensischen Überprüfung, allerdings ohne selbst Verwaltungsaktcharakter zu haben, und damit ohne dass tatsächlich eine Überprüfungsmöglichkeit in einem Einspruchs- oder Klageverfahren entstünde (s. aber Rz. 4). Dies setzt vielmehr eine Festsetzung nach § 90 Abs. 4 EStG voraus, die aber nach den Anpassungen durch das Jahressteuergesetz 2022[1] ab 1.1.2024 in deutlich mehr Fällen als bisher von Amts wegen erfolgen dürfte (§ 90 EStG, Rz. 17).

 

Rz. 1a

Durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz[2] wurde der bislang nur als "jährlich" im Gesetz vorgegebene Turnus zur Erstellung der Bescheinigung ab dem 1.1.2018 dahingehend klargestellt und ergänzt, dass diese nun bis zum Ablauf des auf das Beitragsjahr folgenden Jahrs zu erteilen ist. Wesentliche Unterschiede zur bisherigen Praxis der Anbieter sind hierdurch nicht eingetreten.

[1] G. v. 16.12.2022, BGBl I 2022, 2294.
[2] G. v. 17.8.2017, BGBl I 2017, 3214; Emser/Roth, NWB 2017, 2490.

2 Funktion der Bescheinigung

 

Rz. 2

Die Bescheinigungspflicht ist sachlich gesehen im Wesentlichen eine Unterrichtungspflicht. Als Bescheinigung wird gemeinhin ein Dokument bezeichnet, das den Empfänger in die Lage versetzen soll, einem Dritten gegenüber den Nachweis über die "bescheinigten" Umstände zu erbringen. Dazu dient die Bescheinigung des § 92 EStG nicht. Allenfalls hinsichtlich S. 1 Nr. 1 käme in Betracht, dass mit der Bescheinigung die Höhe der im abgelaufenen Beitragsjahr geleisteten Altersvorsorgebeiträge dem FA für den Sonderausgabenabzug nach § 10a EStG nachgewiesen werden könnte, was allerdings seit dem Vz 2010 durch Datenübertragung zwischen dem Anbieter als mitteilungspflichtige Stelle (§ 10a Abs. 5 S. 1 EStG) und der zentralen Stelle (§ 81 EStG) erfolgt. Davon ging die Verwaltung indes auch zuvor nicht aus, denn sie hatte für beide Bescheinigungen – § 92 EStG und § 10a Abs. 5 EStG – unterschiedliche amtliche Formulare entwickelt (Rz. 13).

 

Rz. 3

Auch im Übrigen besteht eine Bescheinigungsfunktion nicht. Allenfalls kommt der schriftlichen Unterrichtung nach § 92 EStG in Teilbereichen eine Art Quittungsfunktion zu, mit der der Zulageberechtigte notfalls seinem Vertragspartner, dem Anbieter, gegenüber die von ihm erbrachten Leistungen in einem Streitfall nachweisen könnte. Im Regelfall ist sie eine Zwischenabrechnung des Anbieters, die es dem Zulageberechtigten erlaubt, die Entwicklung seiner Versorgungsanwartschaft zu verfolgen und den wirtschaftlichen Stand seiner Investition zu erkennen.

 

Rz. 4

Nach Verwaltungsauffassung hat die Bescheinigung nach § 92 EStG darüber hinaus die Funktion der Bekanntgabe der Entscheidung der zentralen Stelle gem. § 90 Abs. 1 S. 1 EStG über das Ergebnis der Zulagenermittlung, denn der Zugang dieser Bescheinigung ist für den Zulageberechtigten der Beginn der Jahresfrist nach § 90 Abs. 4 S. 2 EStG, um selbst einen Antrag auf Festsetzung der Zulage zu stellen.[1] Diese Wirkung kann der Bescheinigung aber nur zukommen, wenn in ihr die Bekanntgabe der Entscheidung über den Antrag auf Zulage zu sehen wäre. Die vom Anbieter ausgestellte Bescheinigung wäre dann gleichzeitig die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts der zentralen Stelle i. S. v. § 124 Abs. 1 S. 2 AO. Ob dies so interpretiert werden kann, ist zweifelhaft. Schon die Erfüllung der formellen Voraussetzungen des § 119 Abs. 3 S. 1 AO (Erkennbarkeit der erlassenden Behörde) ist fraglich. Nach dem derzeit gültigen Vordruckmuster (Rz. 13) ist nur für die Mitteilung, dass kein Zulageanspruch besteht, ein Hinweis auf die Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA; § 90 EStG Rz. 1) als entscheidende Behörde vorgesehen; und auch dieser Hinweis enthält keinen Hinweis darauf, dass damit die Bekanntgabe einer Entscheidung der ZfA gewollt wäre. Jedenfalls wären dann auch entsprechende Folgerungen hinsichtlich der Rechtsmittelfähigkeit der Bescheinigung zu ziehen.

3 Inhalt der Unterrichtungspflicht (§ 92 S. 1 EStG)

 

Rz. 5

Die Bescheinigung ist für jeden Altersvorsorgevertrag getrennt zu erstellen. Zu unterrichten ist über die Leistungen des Zulageberechtigten auf diesen Vertrag, also über die von ihm erbrachten Altersvorsorgebeiträge, und zwar in zweifacher Hinsicht:

  • zum einen über die Höhe der im abgelaufenen Beitragsjahr (§ 88 EStG) erbrachten Beit...

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