Rz. 7

Die Änderungs- und Berichtigungsvorschriften für Steuerfestsetzungen nach §§ 172ff. AO sind auf Dauerverwaltungsakte wie die Kindergeldfestsetzung nicht zugeschnitten. § 70 Abs. 2 EStG lässt deshalb als sonstige gesetzliche Korrekturvorschrift i. S. d. § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2d AO die Aufhebung oder Änderung der Kindergeldfestsetzung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse (auch rückwirkend – ex tunc) zu, die für die Zahlung des Kindergelds erheblich sind. Da die Kindergeldfestsetzung ein teilbarer Verwaltungsakt ist, der die Festsetzung für jeden Monat umfasst, kann sie für einzelne Monate aufgehoben oder geändert werden oder unverändert bestehen bleiben.[1] Für verschiedene Zeitabschnitte können daher gesonderte Änderungsbescheide ergehen.[2]

 

Rz. 8

Voraussetzung ist, dass eine ursprünglich rechtmäßige Kindergeldfestsetzung durch eine Änderung der für den Bestand des Kindergeldanspruchs maßgeblichen Verhältnisse des Anspruchsberechtigten oder des Kindes nachträglich rechtswidrig wird, z. B. bei einem Haushaltswechsel des Kindes[3], Beendigung der Berufsausbildung bzw. Abbruch der Berufsausbildung[4], Aufgabe des inländischen Wohnsitzes[5], beim Tod des Berechtigten oder beim Überschreiten der Altersgrenze.[6] Der Kindergeldanspruch kann auch während der Untersuchungshaft des Kindes wegfallen.[7] Der BFH muss klären, ob eine Unterbrechung der Ausbildung aufgrund einer unfallbedingten und nicht lediglich auf absehbare Zeit ("zeitweise") attestierte Erkrankung zur Versagung des Kindergeldanspruchs führt bzw. ob hierbei eine nicht nur vorübergehende Hinderung aus objektiven Gründen vorliegt.[8] Die Kindergeldfestsetzung ist vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben. Für diese Fälle ist § 173 AO nicht einschlägig, da diese Vorschrift nur bei nachträglichem Bekanntwerden von Tatsachen oder Beweismitteln eingreift, die bei der ursprünglichen Festsetzung bereits vorhanden und lediglich nicht bekannt waren. Auch § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und Abs. 2 AO greifen nicht, da kein rückwirkendes Ereignis vorliegt.

 
Praxis-Tipp

Änderungen zum bestehenden Anspruch auf Kindergeld sofort bei der Familienkasse melden

Erhalten Stpfl. Kindergeld für ein Kind, das über 18 Jahre alt ist, müssen sie z. B. die Familienkasse informieren, wenn das Kind seine erste Berufsausbildung oder sein Erststudium beendet oder abbricht und zu arbeiten beginnt oder das Kind die Schul- oder Berufsausbildung oder das Studium wechselt, beendet oder unterbricht. Das geht auch online mittels eines PDF-Formulars.

Bei etwaiger falscher Beurteilung der Folgen wie Aufhebung des Kindergeldanspruchs seitens der Familienkasse kann der Stpfl, dann Einspruch einlegen.

 

Rz. 9

Eine Änderung der Verhältnisse ist nicht nur bei einer nachträglichen Veränderung der persönlichen und tatsächlichen Verhältnisse gegeben, sondern auch, wenn sich die rechtlichen Verhältnisse ändern[9], z. B. wenn sich durch eine Gesetzesänderung die Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde oder der Höhe nach verändern. Als begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung steht die Kindergeldfestsetzung unter dem Vorbehalt, dass die maßgebliche Rechtslage fortbesteht. Der Berechtigte kann grundsätzlich nicht darauf vertrauen, dass eine für ihn günstige Rechtslage unverändert bestehen bleibt.[10] Entfällt daher aufgrund einer Gesetzesänderung die Rechtsgrundlage für die Gewährung, ist die Kindergeldfestsetzung rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Gesetzesänderung aufzuheben.

 

Rz. 10

§ 70 Abs. 2 EStG betrifft somit nicht diejenigen Sachverhalte, in denen keine nachträgliche Änderung der Verhältnisse eingetreten ist, sondern in denen nachträglich festgestellt wird, dass der Bescheid von Anfang an rechtswidrig war; hier greifen §§ 173ff. AO und § 70 Abs. 3 EStG ein.[11]

 

Rz. 11

Die Verhältnisse, die für die Zahlung des Kindergelds erheblich sind und die im Zeitpunkt der Kindergeldfestsetzung vorlagen, können sich zugunsten oder zuungunsten des Berechtigten nachträglich geändert haben.[12] Die Änderung muss erheblich sein, d. h. sie muss zu einem vollständigen oder teilweisen Wegfall des Kindergeldanspruchs führen. Entscheidend ist allein die objektive Änderung der Verhältnisse. Auf ein Verschulden der Familienkasse oder des Kindergeldberechtigten kommt es nicht an.[13] Die Beweislast (Feststellungslast) für eine Änderung/Aufhebung zum Nachteil des Berechtigten liegt bei der Familienkasse.[14] Vertrauensschutzgesichtspunkte können jedenfalls dann nicht berücksichtigt werden, wenn der ursprünglich Kindergeldberechtigte seine Mitwirkungspflichten nach § 68 EStG verletzt hat.[15]

 

Rz. 12

Nicht anwendbar ist § 70 Abs. 2 EStG für Bescheide, mit denen eine Kindergeldfestsetzung abgelehnt oder aufgehoben wurde bzw. eine Nullfestsetzung erfolgt ist.[16] Denn nach dem Regelungsgehalt dieser Bescheide kommt ihnen Bindungswirkung nur bis zum Ende des Bekanntgabemonats, nicht darüber hinaus für die Zukunft zu. Eine "Korrektur" eines bestandskräftigen Ablehnungsbescheids ist daher in der Weise möglic...

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