Rz. 9

Ist der Steuerabzug nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden, so haftet der Leistungsempfänger für den nicht oder zu niedrig abgeführten Abzugsbetrag (§ 48a Abs. 3 S. 1 EStG).[1] Der Leistungsempfänger haftet nicht für alle Steuerforderungen des Bauleistenden, sondern nur für den Steuerabzug, der sich aus dem jeweiligen Auftrag (der jeweiligen Bauleistung) zwischen dem Bauleistenden und dem Leistungsempfänger ergibt.[2] Die Vorschrift des § 48a Abs. 3 EStG ist als Verweisung auf die (allgemeine Haftungs-) Vorschrift des § 191 AO zu verstehen.[3] Die Haftung ist grundsätzlich unabhängig von einem Verschulden des Leistungsempfängers, wenn dem Leistungsempfänger keine Freistellungsbescheinigung vorgelegen hat. Unerheblich ist auch, ob für den Leistenden im Inland zu sichernde Steueransprüche bestehen. Insbesondere kann sich der Leistungsempfänger im Haftungsverfahren nicht darauf berufen, dass die Gegenleistung beim Leistenden nach einem DBA im Inland nicht besteuert werden kann (nach § 48d Abs. 1 S. 1 EStG wird der Steuerabzug nicht durch DBA eingeschränkt). Eine Haftungsinanspruchnahme ist auch möglich, wenn die Person des Steuerschuldners nicht feststeht.

Über die Inanspruchnahme des Leistungsempfängers als Haftungsschuldner entscheidet das FA im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Steuerschuld, für die gehaftet werden soll, entstanden sein und zudem noch bestehen muss. Bei der Prüfung der Akzessorietät der Haftungsschuld zu der zugrunde liegenden Steuerschuld (Primärschuld) ist die "zugrunde liegende Steuerschuld" nicht die ESt- bzw. KSt-Schuld des Leistenden, sondern die vom Leistenden geschuldete Bauabzugsteuer.[4] Bei der in § 48a Abs. 3 EStG geregelten Haftung handelt es sich um einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis i. S. v. § 37 AO, denn der, der Haftung zugrundeliegende, in § 48 EStG geregelte Steuerabzug bei Bauleistungen ist eine Steuer i. S. v. § 3 AO.[5] Dabei ist auch zu berücksichtigen, inwieweit nach den Umständen des Einzelfalls Steueransprüche entstehen können.[6] Für eine ermessensfehlerfreie Haftungsinanspruchnahme des Leistungsempfängers ist es erforderlich, dass offene Steueransprüche gegen den Leistenden zumindest in Höhe des Haftungsbetrags bestehen[7] bzw. Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Leistenden wegen seiner Steuerrückstände erfolglos verlaufen sind bzw. keine Aussicht auf Erfolg versprechen, und es sich bei den rückständigen Steuerschulden des Leistenden zumindest teilweise um solche handelt, die explizit in § 48c Abs. 1 EStG genannt sind.[8] Entsprechende Ermessenserwägungen sind in den Haftungsbescheid aufzunehmen.[9]

 

Rz. 10

Die Haftung des Leistungsempfängers ist jedoch ausgeschlossen, wenn ihm im Zeitpunkt der Gegenleistung eine gültige Freistellungsbescheinigung vorgelegen hat, auf deren Rechtmäßigkeit er vertrauen durfte. Der Leistungsempfänger ist verpflichtet, die Freistellungsbescheinigung zu überprüfen; insbesondere muss er sich vergewissern, ob die Freistellungsbescheinigung mit einem Dienstsiegel versehen ist und eine Sicherheitsnummer trägt. Bei Vorlage einer Kopie müssen diese Angaben erkennbar sein. Um sich über sein eventuelles Haftungsrisiko Gewissheit zu verschaffen, hat der Leistungsempfänger die Möglichkeit, die Gültigkeit der Freistellungsbescheinigung im Wege einer elektronischen Abfrage beim BZSt ggf. eine Bestätigung der Gültigkeit der Bescheinigung zu erlangen. Bestätigt das BZSt die Gültigkeit nicht oder kann der Leistungsempfänger die elektronische Anfrage nicht durchführen, muss sich der Leistungsempfänger durch Nachfrage bei dem die Freistellungsbescheinigung erteilenden FA Gewissheit verschaffen. Die Nachweispflicht trägt der Leistungsempfänger.[10] Daraus ist aber nicht abzuleiten, dass der Leistungsempfänger zu der elektronischen Abfrage beim BZSt oder gar einer fernmündlichen Anfrage beim FA des Leistenden (ein Anspruch auf eine schriftliche Bestätigung besteht ohnehin nicht) verpflichtet ist. Eine unterlassene elektronische Abfrage soll nach Auffassung der Finanzverwaltung aber nicht zu einer Haftungsverschärfung führen.

 

Rz. 11

Unterlässt der Leistungsempfänger trotz fehlender Freistellungsbescheinigung den Steuerabzug, weil der Leistende ihm die Vorlage einer bereits erteilten Freistellungsbescheinigung zusichert, soll eine Haftungsinanspruchnahme dann unterbleiben, wenn dem Leistungsempfänger im Nachhinein eine bereits im Zeitpunkt der Zahlung gültige Freistellungsbescheinigung nachgereicht wird. Wird diese aber nicht nachgereicht oder liegt die Gültigkeit der Freistellungsbescheinigung zeitlich nach erfolgter Gegenleistung, setzt sich der Leistungsempfänger einem Haftungstatbestand aus.[11]

 

Rz. 12

Liegt dem Leistungsempfänger eine Freistellungsbescheinigung des Leistenden vor, kann er zwar grundsätzlich auf deren Richtigkeit vertrauen. Dennoch kann eine Haftungsinanspruchnahme erfolgen, wenn die Freistellungsbescheinigung durch unlautere Mittel oder falsche Angaben erwirkt wurde und dem...

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