Rz. 433

Eine Bilanzberichtigung hat zu erfolgen, wenn die Bilanz unrichtig ist, weil zwingende handels- und steuerrechtliche Grundsätze und Vorschriften nicht berücksichtigt worden sind.

Eine Bilanzberichtigung liegt vor, wenn ein unrichtiger Bilanzansatz durch einen richtigen ersetzt werden soll. Die Bilanzberichtigung kann alle Positionen der Bilanz hinsichtlich Ansatz und Bewertung betreffen, also Wirtschaftsgüter des Anlage- und Umlaufvermögens, einschließlich aktive Rechnungsabgrenzungsposten, Verbindlichkeiten, Rückstellungen und passive Rechnungsabgrenzungsposten. Darüber hinaus kann die Bilanzberichtigung auch das Eigenkapital betreffen. Damit sind auch Fehler bei der Buchung von Einlagen und Entnahmen der Bilanzberichtigung zugänglich.[1] Einlagen und Entnahmen haben nach Abs. 1 unmittelbare Auswirkungen auf den Gewinn; damit wird eine gewinnwirksame Bilanzposition verändert. Es genügt damit eine Veränderung der Zusammensetzung des Eigenkapitals; daher sieht der BFH auch in der per Saldo ergebnisneutralen Änderung der Eigenkapitalposten eine Bilanzberichtigung.

 

Rz. 434

Die Bilanz muss die Verhältnisse am Bilanzstichtag richtig wiedergeben (Stichtagsprinzip; vgl. § 6 EStG Rz. 71). Sie muss zum Tag der Bilanzaufstellung i. d. S. richtig sein, dass der Stpfl. alle bis zum Bilanzstichtag nach seinem Wissen eingetretenen Tatsachen (wertbegründende Tatsachen; vgl. § 6 EStG Rz. 72) sowie alle bis zu dem Zeitpunkt der Bilanzaufstellung gewonnenen Erkenntnisse über die Verhältnisse zum Bilanzstichtag berücksichtigt (wertaufhellende Tatsachen; vgl. § 6 EStG Rz. 73).[2] Nach dem Bilanzstichtag eintretende Tatsachen und bessere Erkenntnisse nach Aufstellung der Bilanz bleiben unberücksichtigt. Der Begriff der Richtigkeit der Bilanz bezeichnet daher die "subjektive Richtigkeit", d. h. die Berücksichtigung aller Kenntnisse, die der Stpfl. bei Anlegen des Maßstabs eines ordentlichen Kaufmanns hatte oder haben konnte.[3] Stellt sich später heraus, dass die Bilanz trotzdem mit den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen objektiv nicht in Einklang steht, ohne dass ein ordentlicher Kaufmann dies an den maßgebenden Stichtagen wissen musste, handelt es sich nicht um eine unrichtige Bilanz.[4]

Nach dieser Definition ist die Bilanz unrichtig, wenn sie objektiv nicht den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen entspricht. Die Tatsache, dass sie nicht denjenigen Kenntnisstand widerspiegelt, den der Kaufmann im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung bei pflichtgemäßer und gewissenhafter Prüfung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse haben konnte (subjektiver Fehlerbegriff), spielen für eine Beurteilung der Richtigkeit der Bilanz keine Rolle.[5] Diese Änderung der Rspr. erweitert die Möglichkeit des Stpfl. einer Bilanzänderung nach § 4 Abs. 2 S. 2 EStG.[6] Eine Ausstrahlungswirkung für die Handelsbilanz[7] habe diese Änderung der Rspr. allerdings nicht.[8] Darüber hinaus führt das Urteil des Großen Senates zu einem gespaltenen Fehlerbegriff in der Steuerbilanz. Denn der Große Senat bejahte den objektiven Fehlerbegriff lediglich für bilanzielle Rechtsfragen. Handelt es sich um Tatsachenfragen, bleibt es zunächst bei der Maßgeblichkeit des subjektiven Fehlerbegriffes.[9]

Dabei ist dem Stpfl. ein Verschulden seines steuerlichen Beraters bei der Bilanzaufstellung entsprechend § 278 BGB zuzurechnen. Hat der Stpfl. den Berater nicht über steuerlich relevante Sachverhalte informiert, liegt ein eigenes Verschulden des Stpfl. vor. In beiden Fällen ist die Bilanz nicht mit der von einem Kaufmann zu erwartenden Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt aufgestellt worden[10] und daher unrichtig.

 

Rz. 435

In tatsächlicher Hinsicht ist die Bilanz objektiv unrichtig, wenn der Kaufmann tatsächliche Umstände nicht kannte oder nicht berücksichtigte oder ihm bekannte Tatsachen falsch bewertete. In rechtlicher Hinsicht ist die Bilanz objektiv unrichtig, wenn sie den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung nach den §§ 238ff. HGB, aber auch den steuerrechtlichen Bilanzierungsvorschriften widerspricht, wenn diese von den handelsrechtlichen Bilanzierungsvorschriften abweichen.[11]

 

Rz. 436

Die objektive Fehlerhaftigkeit einer Bilanz bedeutet noch nicht, dass sie auch subjektiv unrichtig ist. Richtig ist ein Bilanzansatz vielmehr auch dann, wenn er den objektiven Verhältnissen am Bilanzstichtag nicht entspricht, diese aber ein ordentlicher Kaufmann zum Bilanzstichtag nicht kennen musste oder konnte.[12] Grundlage dieses subjektiven Fehlerbegriffs ist, dass die "Bilanzwahrheit" keine absolute Wahrheit ist; vielmehr ist eine Bilanz richtig, wenn sie das widerspiegelt, was am maßgebenden Stichtag erkennbar war. Die Forderung nach einer "absoluten Richtigkeit" würde dem Stichtagsprinzip widersprechen (vgl. § 5 EStG Rz. 30).

Der subjektive Fehlerbegriff beruht auf dem Umstand, dass die Bilanz in weitem Umfang auf ausfüllungsbedürftigen unbestimmten Rechtsbegriffen, hypothetischen Kausalverläufen (z. B. bei der Bildung von Garantie- und anderen Rückstellungen), P...

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