Rz. 566

Dem Begriff der Betriebsausgaben kommt zentrale Bedeutung für die Ermittlung der Nettoeinkünfte im Bereich der Gewinnermittlung zu.

Die systematische Stellung des § 4 Abs. 4 EStG spiegelt diese zentrale Bedeutung allerdings nicht wider. Abs. 4 schließt an Abs. 3, die Gewinnermittlung durch Einnahme-Überschussrechnung, an; hierin und in dem Wortteil "Ausgabe" im Begriff der Betriebsausgabe scheint zum Ausdruck zu kommen, dass Betriebsausgaben nur im Rahmen der Gewinnermittlung durch Überschussrechnung Bedeutung erlangen. Die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG scheint auf den Begriff der Betriebsausgaben verzichten zu können. Der Betriebsausgabenbegriff ist in der Definition des Gewinns im Betriebsvermögensvergleich als Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss und am Anfang des Wirtschaftsjahrs, korrigiert um Entnahmen und Einlagen, nicht enthalten. Die Regelung des Abs. 1 S. 8, wonach beim Betriebsvermögensvergleich auch die Vorschriften über die Betriebsausgaben zu befolgen sind, erscheint als eine systematisch nicht zwingende, eher zufällige positivrechtliche Regelung.

 

Rz. 567

Diese Einordnung wäre jedoch ein Irrtum; der Begriff der Betriebsausgaben ist ein systematisch unverzichtbarer Teil des Betriebsvermögensvergleichs, dessen Bedeutung nur durch die Art, wie der Betriebsvermögensvergleich steuertechnisch definiert ist, verborgen ist. Beim Betriebsvermögensvergleich reduzieren nicht alle Vermögensminderungen den Gewinn, sondern nur solche, die betrieblich veranlasst sind; zum Ausdruck kommt dies durch die Korrektur des Ergebnisses des Betriebsvermögensvergleichs um Entnahmen. Ausgaben sind immer auch Vermögensminderungen (wenn auch nicht alle Vermögensminderungen Ausgaben sind); diese Ausgaben dürfen als Vermögensminderungen nur dann im Rahmen des Betriebsvermögensvergleichs berücksichtigt werden, wenn sie "Betriebsausgaben" sind. Der Begriff der Betriebsausgaben determiniert also, welche Vermögensminderungen, die gleichzeitig Ausgaben sind, sich auf den durch Betriebsvermögensvergleich ermittelten Gewinn auswirken dürfen. Der Begriff der Betriebsausgaben fließt also aus dem den einzelnen Gewinnermittlungsarten übergeordneten Prinzip der Nettobesteuerung (vgl. Rz. 568) und ist daher notwendiger Bestandteil jeder Gewinnermittlungsart, daher auch des Betriebsvermögensvergleichs.

Die Eigenschaft des Betriebsausgabenbegriffs als systematisch notwendiger Bestandteil der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich lässt sich auch aus der rechtsgeschichtlichen Entwicklung ableiten.[1] Im EStG 1925 war der durch Bestandsvergleich ermittelte Gewinn definiert als Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben, korrigiert um Wertveränderungen im Vermögensbereich. Ein sachlicher Unterschied zu der heutigen Definition des Betriebsvermögensvergleichs besteht nicht; das "Verschwinden" des Betriebsausgabenbegriffs aus dem Begriff des Betriebsvermögensvergleichs hat nur steuertechnische, keine systematischen Gründe.

 

Rz. 568

Besteuerungsgrundlage der ESt sind nach § 2 EStG die Einkünfte aus bestimmten Einkunftsquellen; nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG sind Einkünfte bei Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit der Gewinn. Der Gewinn ist derjenige Betrag aus der Einkunftsart, der dem Stpfl. zum Bestreiten seiner Lebenshaltungskosten sowie für betriebliche Investitionen zur Verfügung steht. Dieser Betrag drückt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Stpfl. aus und kann zur Deckung der Staatsausgaben durch Besteuerung herangezogen werden.

Das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit erfordert, die Aufwendungen, die der Erzielung der Einkünfte dienen, aus der Besteuerung auszuscheiden. Was aufgewendet werden muss, um die Einkünfte überhaupt erst zu erzielen, steht zur Deckung der Lebenshaltungskosten nicht zur Verfügung und kann daher nicht in die steuerliche Bemessungsgrundlage einbezogen werden. Besteuerungsgrundlagen können daher nicht die Bruttoeinnahmen sein; diese müssen vielmehr um die damit verbundenen Aufwendungen vermindert werden.[2]

Die Berücksichtigung der Betriebsausgaben als der durch die Einkunftserzielung verursachten Aufwendungen beruht damit auf dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und gehört zum Kernbereich einer sachgerechten und verfassungsgemäßen Besteuerung.

 

Rz. 569

Betriebsausgaben dienen der Ermittlung des Gewinns aus einer bestimmten Einkunftsart. Daraus folgt, dass die einzelne Betriebsausgabe einer bestimmten Einkunftsart zugeordnet werden muss; Betriebsausgaben außerhalb der Einkunftsarten kann es nicht geben.

Die Zuordnung zu einer bestimmten Einkunftsart bewirkt eine Abgrenzung in doppelter Hinsicht. Einmal wird die einzelne Ausgabe damit von anderen Einkunftsarten bzw. -quellen und deren Ausgaben abgegrenzt, zum anderen erfolgt eine Abgrenzung von solchen Ausgaben, die gar keiner Einkunftsart (Einkunftsquelle) zuzurechnen sind, die also außerbetrieblicher, pri...

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