Rz. 19

Das EStG enthielt bis 1985 keine Definition des Begriffs des Pflegekinds. Die Finanzverwaltung verlangte in Abschn. 180 Abs. 2 EStR 2003 insbes. die volle Verantwortung für den Unterhalt bei den Pflegeeltern. Abweichend hiervon und von der älteren Rspr. lehnte sich der BFH an die Begriffsbestimmung des Pflegekinds in § 15 Abs. 1 Nr. 8 AO an, nach der entscheidend lediglich das Pflegeverhältnis mit häuslicher Gemeinschaft, d. h. nicht die Unterhaltsgewährung ist. Nach der ab 1986 geltenden Definition war jedoch vorausgesetzt, dass der Stpfl. das Kind zu einem nicht unwesentlichen Teil unterhält, was bei einem Unterhaltsbeitrag von 20 % angenommen wurde.[1] Als Reaktion auf die Entscheidung des BFH[2], wonach die Betreuungsaufwendungen einzeln nachzuweisen waren, wurde die Definition durch das StÄndG 2003 (Rz. 9a) dahin geändert, dass auf einen eigenen Unterhaltsbeitrag der Eltern verzichtet wird. Das Kind darf lediglich nicht zu Erwerbszwecken in den Haushalt aufgenommen sein.

Die Neufassung war in allen Fällen anzuwenden, in denen die ESt noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden war.[3] Die rückwirkende Änderung des Pflegekindbegriffs galt auch für nicht bestandskräftige Kindergeldfestsetzungen.[4]

 

Rz. 20

Die im Klammerzusatz des § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG enthaltene Definition enthält – abweichend von § 15 Abs. 1 Nr. 8 AO – folgende Merkmale:

  • familienähnliches Band,
  • auf Dauer berechnetes Band,
  • Aufnahme in den Haushalt,
  • Haushaltsaufnahme nicht zu Erwerbszwecken,
  • kein Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern.
 

Rz. 21

Der Pflegekindbegriff bestimmt einen tatsächlichen Zustand. Entscheidend sind die Gesamtumstände des Einzelfalls.[5] Das Kind muss wie ein leibliches Kind finanziell und persönlich betreut werden. Deshalb können rechtliche Erklärungen und Bindungen diesen Zustand weder begründen noch beseitigen.[6] Nicht maßgebend ist daher, welche rechtlichen Möglichkeiten die leiblichen Eltern noch haben, über das Schicksal des Kindes, insbes. seinen Aufenthalt, zu bestimmen. Rechtssystematisch handelt es sich um einen offenen Typusbegriff. Das bedeutet, dass es nicht auf das Vorliegen bestimmter fest definierter Tatbestandsmerkmale ankommt, sondern eine Gesamtschau verschiedener in Betracht kommender Merkmale verlangt wird, wobei die besonders starke Ausprägung einzelner Elemente die geringere Ausprägung oder sogar das Fehlen anderer Elemente kompensieren kann. Die einzelnen Merkmale sind im konkreten Fall zu gewichten und gegeneinander abzuwägen. Das obliegt im Streitfall den FG als Tatsacheninstanz. Deren Beurteilung ist revisionsrechtlich nur begrenzt überprüfbar.[7] An dieser Eigenart des Pflegekindbegriffs hat sich auch nach der Definition durch die Merkmale in § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG nichts geändert, da sich die Begriffsmerkmale weiterhin wechselseitig beeinflussen und bedingen.[8]

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