Rz. 84

§ 23 EStG setzt die Anschaffung und Veräußerung der genannten Wirtschaftsgüter (vgl. Rz. 28ff.) innerhalb der genannten Fristen (Rz. 80ff.) voraus.

 

Rz. 85

Der Begriff der Anschaffung nach § 23 EStG ist i. S. d. § 6 EStG und § 255 Abs. 1 HGB auszulegen. Es ist der entgeltliche Erwerb und die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem Vermögen eines Dritten auf eine andere Person, z. B. durch Kauf oder Tausch. Die Entnahme ist seit Vz 1999 der Anschaffung gleichgestellt.[1] Die Erwerbshandlung muss wesentlich vom Willen des Stpfl. bestimmt sein[2], ohne dass aber eine Spekulationsabsicht erforderlich ist (Rz. 19). Entgeltliche Übertragungen, die ohne Willen des Stpfl. erfolgen, fallen grundsätzlich nicht unter § 23 EStG.[3] Ebenso wie der Begriff Veräußerung ist auch der Begriff der Anschaffung nicht eng auszulegen; der Vorgang der Anschaffung ist wirtschaftlich zu verstehen – ausreichend ist ein marktoffenbarer Vorgang – und setzt daher nicht zwingend ein zivilrechtliches Rechtsgeschäft voraus, sondern es reicht die Begründung des wirtschaftlichen Eigentums aus.[4] Die Übertragung eines fremd finanzierten Anteils an einem geschlossenen Immobilienfonds in Erfüllung einer Vergleichsvereinbarung auf eine von dem finanzierenden Kreditinstitut benannte Erwerbergesellschaft bei teilweisem Verzicht des Kreditinstituts auf die Rückzahlung des restlichen Darlehens, kann ein privates Veräußerungsgeschäft sein.[5] Wird aber Edelmetall aus dem Privatvermögen im Wege eines echten Edelmetall-Pensionsgeschäfts übertragen und zurückübertragen, liegt mangels eines marktoffenbaren Vorgangs kein privates Veräußerungsgeschäft vor; der positive oder negative "Spread" wird bei der Ermittlung der sonstigen Einkünfte (§ 22 Nr. 3 EStG) erfasst.[6] Die Anschaffung einer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung an einer Personengesellschaft gilt nach § 23 Abs. 1 S. 4 EStG als Anschaffung der anteiligen Wirtschaftsgüter. Bei Veräußerung der Beteiligung an einer Grundstück besitzenden Personengesellschaft wird daher § 23 EStG verwirklicht. Anschaffung ist daher auch der Zuschlagbeschluss nach Abgabe eines Meistgebots in einer Zwangsversteigerung[7], der Erwerb aufgrund eines Ergänzungsvertrags, wenn damit erstmalig ein Anspruch auf Übertragung eines Miteigentumsanteils rechtswirksam entsteht[8], oder der Erhalt kostenloser Bezugsrechte oder Gratisaktien im Rahmen einer Kapitalerhöhung.[9]

Die Nutzung eines Mietvertrags mit Vorkaufsrecht reicht nicht.[10]

Grundsätzlich ist auch bei virtuellen Währungen und sonstigen Token als Anschaffung der entgeltliche Erwerb von Dritten zu verstehen. Dies umfasst insbesondere die im Rahmen der Blockerstellung erlangten Einheiten und die im Rahmen eines Tauschgeschäfts gegen staatliche Währungen, Waren oder anderen Dienstleistungen sowie durch sog. "Lending" (Zinsen für die Kreditgewährung von Token bzw. virtuellen Währungen) oder "Staking" ("Belohnung" für die Bereitstellung von Token bzw. virtueller Währung) für die Verifizierung von Transaktionen) erworbenen Einheiten. Wird eine Blockchain geteilt und entsteht insoweit eine neue virtuelle Währung (sog. "Hard Fork"), gehen Anschaffungszeitpunkt (Rz. 83a) und Anschaffungskosten insoweit mit über.[11] Die Finanzverwaltung nimmt eine Anschaffung ebenso aufgrund einer Leistung i. S. d. § 22 Nr. 3 EStG an. Anschaffungskosten sind der Wert der hingegebenen Daten oder der vorgenommen Handlung. Bei unentgeltlichem Erwerb ist die Anschaffung des Rechtsvorgängers maßgebend.[12]

 

Rz. 86

Keine Anschaffung ist die Herstellung. Die Veräußerung hergestellter Wirtschaftsgüter gehörte daher mangels Nämlichkeit[13] nicht zu den privaten Veräußerungsgeschäften.

Die erforderliche Nämlichkeit war (teilweise) gewahrt, wenn ein unbebautes Grundstück parzelliert und eine Parzelle innerhalb der Behaltensfrist veräußert wird.[14] Auch führen der Erwerb eines Mehrfamilienhauses, die anschließende Aufteilung in Eigentumswohnungen und die Veräußerung einzelner Einheiten zu einem Gewinn aus einem privaten Veräußerungsgeschäft.[15]

Nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG ist bei Veräußerungen von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten nach dem 31.12.1998 der gesamte Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung des Grundstücks oder grundstücksgleichen Rechts in das steuerpflichtige Veräußerungsgeschäft einzubeziehen (Rz. 34).

 

Rz. 87

Das veräußerte Wirtschaftsgut muss mit dem angeschafften Wirtschaftsgut identisch sein (sog. Nämlichkeit). Es ist nicht identisch, wenn das veräußerte an die Stelle des angeschafften ähnlichen, aber dennoch anderen Wirtschaftsguts getreten ist und wenn auch die Hingabe des ursprünglich angeschafften Wirtschaftsguts als Entgelt für die Anschaffung des neuen, später veräußerten Wirtschaftsguts angesehen werden kann. So sind das Wohnungseigentum, das ein Stpfl. als Ausgleich für ein untergegangenes Dauerwohnrecht erhalten hat, und dieses Dauerwohnrecht als 2 verschiedene Wirtschaftsgüter anzusehen. Daher ist der Erwerb des Wohnungseigentums al...

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