Rz. 298

Zur Ermittlung des stpfl. Veräußerungsgewinns i. S. d. § 20 Abs. 2 EStG sind von den Einnahmen aus der Veräußerung nach § 20 Abs. 4 S. 1 Halbs. 1 EStG die Anschaffungskosten abzuziehen. Die Abziehbarkeit der Anschaffungskosten stellt eine Ausnahme vom Abzugsverbot für Werbungskosten i. S. d. § 20 Abs. 9 S. 1 EStG dar und dient der Verwirklichung des objektiven Nettoprinzips. Der Begriff der Anschaffungskosten richtet sich nach der auch für das Steuerrecht maßgeblichen handelsrechtlichen Definition des § 255 Abs. 1 S. 1 HGB.[1] Danach sind Anschaffungskosten die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen. Im Hinblick auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen rechnet hierzu vor allem der für den Erwerb einer Kapitalanlage gezahlte Kaufpreis. Weiterhin gehören zu den Anschaffungskosten nach § 255 Abs. 1 S. 2 HGB auch die Anschaffungsnebenkosten. In Bezug auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen ist insofern vor allem an die beim Erwerb einer Kapitalanlage anfallenden Transaktionskosten zu denken.

Keine Anschaffungskosten sind Schuldzinsen, die im Zusammenhang mit der Finanzierung einer Kapitalanlage anfallen.[2] Schließlich zählen zu den Anschaffungskosten nach § 255 Abs. 1 S. 2 HGB auch nachträgliche Anschaffungskosten. In diesem Zusammenhang stellt sich vor allem die Frage, ob der Ausfall von Gesellschafterdarlehen und vergleichbaren Finanzierungshilfen im Insolvenzverfahren künftig zu nachträglichen Anschaffungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen führt. Die Frage wird im Schrifttum unterschiedlich beurteilt. Höchstrichterliche Rspr. existiert bislang nicht. U. E. ist diese Frage eher zu verneinen. Entsprechende Vorgänge sollten künftig als Veräußerungsverluste behandelt werden.[3] Anschaffungskosten sind in Abweichung von § 11 Abs. 2 EStG im Vz des Zuflusses der Einnahmen aus der Veräußerung zu erfassen, da § 20 Abs. 4 S. 1 Halbs. 1 EStG, ebenso wie § 23 Abs. 3 S. 1 EStG[4], eine Ausnahme vom Abflussprinzip enthält.

 

Praxis-Beispiel

Grundregel für die Ermittlung des steuerpflichtigen Veräußerungsgewinns[5]

A hat am 1.1.2010 für 1.000 EUR ein Index-Zertifikat erworben. Unterstellt man, dass sich der Kurs des Zertifikats positiv entwickelt, und A das Zertifikat am 1.7.2010 für 1.100 EUR an B verkauft, wobei ihm Transaktionskosten i. H. v. 20 EUR entstehen, erzielt A nach § 20 Abs. 4 S. 1 EStG einen Gewinn i. H. v. 1.100 EUR ./. 1.000 EUR ./. 20 EUR = 80 EUR, den er als Einkünfte i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG zu versteuern hat. Nimmt man an, dass sich das Zertifikat negativ entwickelt, und A das Zertifikat am 1.7.2010 für 900 EUR an B verkauft, wobei ihm ebenfalls Transaktionskosten i. H. v. 20 EUR entstehen, erleidet A nach § 20 Abs. 4 S. 1 EStG einen Verlust i. H. v. 900 EUR ./. 1.000 EUR ./. 20 EUR = ./. 120 EUR, den er nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG steuermindernd geltend machen kann. Den Sparer-Pauschbetrag i. H. v. 801 EUR hatte A bereits verbraucht.

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