Rz. 43

Eine weitere Ungleichbehandlung, die die Einführung der Abgeltungsteuer mit sich bringt, ist der Ausschluss des Werbungskostenabzugs bei den Einkünften aus Kapitalvermögen; stattdessen gewährt der Gesetzgeber den Stpfl. einen Sparer-Pauschbetrag i. H. v. 801 EUR[1], während bei den Einkünften der anderen Einkunftsarten Betriebsausgaben und Werbungskosten wie bisher im Grundsatz unbeschränkt abgezogen werden können.[2]

 

Rz. 44

M. E. ist der in dem Abzugsverbot für Werbungskosten i. S. d. § 20 Abs. 9 S. 1 EStG bei den Einkünften aus Kapitalvermögen liegende Verstoß gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dadurch gerechtfertigt, dass der Gesetzgeber mit der Gewährung des Sparer-Pauschbetrags i. H. v. 801 EUR eine verfassungsrechtlich anzuerkennende Typisierung der Werbungskosten bei den Beziehern niedriger Kapitaleinkünfte, und mit der Senkung des Steuertarifs von bisher bis zu 45 % auf nunmehr 25 % eine verfassungsrechtlich anzuerkennende Typisierung der Werbungskosten bei den Beziehern höherer Kapitaleinkünfte vorgenommen hat. Das BVerfG sieht den Gesetzgeber grundsätzlich als berechtigt an, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen, ohne wegen der damit im Einzelfall verbundenen Härten gegen die Belastungsgleichheit zu verstoßen.[3] Zusätzliche Typisierungsspielräume können sich für den Gesetzgeber nach Auffassung des BVerfG aus der Verfolgung verfassungsrechtlich anzuerkennender und von der gesetzgeberischen Entscheidung umfasster wirtschaftspolitischer Förderungs- und Lenkungsziele ergeben.[4] Speziell die Möglichkeit der Typisierung der Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen durch die Einräumung eines Freibetrags und die Senkung des Steuertarifs hat das BVerfG bereits in seiner Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der Zinsbesteuerung anerkannt.[5] Voraussetzung für eine verfassungsrechtlich anzuerkennende Typisierung ist aber stets, dass der Gesetzgeber realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zugrunde legt[6] und die Typisierung zur Vereinfachung der Besteuerung geeignet, erforderlich und angemessen ist.[7]

 

Rz. 45

Geht man von diesen Grundsätzen aus, ist m. E. der Ausschluss des Werbungskostenabzugs i. S. d. § 20 Abs. 9 S. 1 EStG bei den Einkünften aus Kapitalvermögen verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber dürfte eine hinreichend realitätsgerechte Regelung getroffen haben, da bei der überwiegenden Zahl der Kleinanleger kaum mehr als 801 EUR an Werbungskosten im Kj. anfallen sollten[8], während bei der kleinen Gruppe der Spitzeninvestoren die Auswirkungen des Abzugsverbots für Werbungskosten durch die Senkung des Steuertarifs von bisher bis zu 45 % auf nunmehr 25 % hinreichend ausgeglichen sein dürften.[9] Insbesondere die Fremdfinanzierung von Kapitalanlagen, die zu erheblichen Werbungskosten führen kann, wird weder im unteren noch im oberen Einkommensbereich mit einer derartigen Häufigkeit vorkommen, dass sie als geradezu typischer Fall betrachtet werden müsste, der bei einer Typisierung der Werbungskosten stets in Rechnung zu stellen wäre.[10] Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass das Abzugsverbot für Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen für die Finanzverwaltung und die Stpfl. eine erhebliche Vereinfachung der Besteuerung bringt, da erst der Ausschluss des Werbungskostenabzugs die Abgeltungswirkung des Steuerabzugs vom Kapitalertrag ermöglicht.[11] Auf diese Weise verringert sich nicht nur der Verwaltungsaufwand, der für die Finanzbehörden mit der Veranlagung der Kapitaleinkünfte verbunden ist.[12] Vielmehr bringt die Abgeltungswirkung auch für die Stpfl. deutliche Erleichterungen, da diese ihre Kapitalerträge nicht mehr in der Steuererklärung angeben müssen.[13] Stellen die Gewährung des Sparer-Pauschbetrags i. H. v. 801 EUR und die Senkung des Steuertarifs auf 25 % eine realitätsgerechte Typisierung der Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen dar, und ermöglicht diese Typisierung eine deutliche Vereinfachung der Besteuerung, dann erfüllt die Typisierung der Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen die Voraussetzungen, die an verfassungsrechtlich anzuerkennende Typisierungen gerichtet werden. Insgesamt betrachtet ist das Abzugsverbot für Werbungskosten i. S. d. § 20 Abs. 9 S. 1 EStG bei den Einkünften aus Kapitalvermögen danach m. E. verfassungsgemäß.[14] Dies entspricht auch der neueren Rspr. des BFH.[15]

[2] § 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 EStG; ausführlich zur Verfassungsmäßigkeit des Abzugsverbots für Werbungskosten Strohm, Abgeltungsteuer – Systematische Darstellung und ausgewählte Zweifelsfragen, 2010, 181ff.
[4] BVerfG v. 21.6.2006, 2 BvL 2/99, BFH/NV Beilage 2006, 481; kritisch zur Erweiterung des Typisierungsspielraums des Gesetzgebers aufgrund wirtsch...

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