Rz. 73

Umstritten ist, ob die "ähnlichen Beteiligungen" und Anwartschaften bei der Berechnung der Beteiligungshöhe nach § 17 EStG einzubeziehen sind.

Der Gesetzestext ist nicht eindeutig. Unzweifelhaft ist nach Abs. 1 S. 3, dass die "ähnlichen Beteiligungen" und Anwartschaften "Anteile" i. S. d. § 17 Abs. 1 EStG bilden und ihre Veräußerung, ist die erforderliche Beteiligungshöhe erreicht, steuerpflichtig ist. Offenbleibt dabei aber, ob diese Anteile auch bei der Ermittlung der Beteiligungshöhe einbezogen werden. Das Gesetz definiert die Beteiligungshöhe in Abs. 1 ohne Bezugnahme auf den Begriff der "Anteile". Daraus ist geschlossen worden, dass die Beteiligungshöhe unabhängig ist von dem Begriff der "Anteile"[1]. Die Beteiligung wäre dann nur als Beteiligung am Nennkapital definiert. Liegt eine solche Beteiligung am Nennkapital in der erforderlichen Höhe vor, ist die Veräußerung aller Anteile i. S. d. Abs. 1 S. 3 steuerpflichtig, also sowohl der Anteile, die eine Beteiligung am Nennkapital vermitteln, als auch der Anteile, bei denen das nicht der Fall ist (ähnliche Beteiligungen, Anwartschaften). Andererseits würde dies bedeuten, dass beteiligungsähnliche Genussrechte, die einem Berechtigten zustehen, der nicht oder nicht in der maßgeblichen Höhe am Nennkapital der Gesellschaft beteiligt ist, nicht unter § 17 EStG fallen können, auch wenn das Genussrechtskapital eine wesentliche Höhe im Verhältnis zum Nennkapital erreicht. Entsprechend dieser Ansicht hat der BFH[2] jedenfalls für Bezugsrechte entschieden, dass diese keinen Einfluss auf die Frage der Beteiligungshöhe haben.[3]

 

Rz. 74

Dieser Ansicht ist jedoch nicht zu folgen. Die maßgebende Beteiligungshöhe ist schon nach dem Gesetzeswortlaut in Abs. 1 nicht als "Beteiligung am Nennkapital" definiert, sondern nur durch Verwendung des Begriffs "Beteiligung am Kapital". Nach Abs. 1 S. 3 bilden aber auch ähnliche Beteiligungen und Anwartschaften "Beteiligungen", zwar nicht am Nennkapital, wohl aber an der Gesellschaft. Sie sind daher als Beteiligungen am "Kapital", wenn auch nicht am Nennkapital, anzusehen. Auch der Gesetzeszweck erfordert die Einbeziehung der ähnlichen Beteiligungen und Anwartschaften bei der Berechnung der maßgeblichen Beteiligungshöhe. Bestehen an der Kapitalgesellschaft etwa Genussrechte, die einen Anteil an Gewinn und Liquidationserlös verbriefen, dann unterscheiden sie sich von Anteilen am Nennkapital nur durch das fehlende Stimmrecht und ähnliche Gesellschaftsrechte. Stimmrechte sind jedoch für das Vorliegen einer Beteiligung nach § 17 EStG nicht maßgebend (vgl. Rz. 61); es besteht dann kein Grund, diese Genussrechte anders zu behandeln als Aktien und GmbH-Anteile.[4]  Auch der BFH[5] vertritt in einem obiter dictum die Auffassung, dass eine "wesentliche" Beteiligung an einer GmbH in den GmbH-Anteilen oder ähnlichen Beteiligungen oder Anwartschaften auf solchen Beteiligungen besteht.

 

Rz. 75

Einzubeziehen sind danach alle Beteiligungen und ähnliche Berechtigungen, die (steuerlich) Kapitalcharakter haben; der Charakter als Nennkapital ist nicht erforderlich. Bei der Höhe der Kapitalbeteiligung ist daher insbesondere Genussrechtskapital zu berücksichtigen, das als beteiligungsähnliches Genussrechtskapital unter § 17 EStG fällt (Rz. 40).[6] Das für die Berechnung der Beteiligungsquote zugrunde zu legende Kapital ist also um das Kapital der "ähnlichen Beteiligungen" zu erhöhen.

 

Rz. 76

Folgt man der in Rz. 75 vertretenen Auffassung, führt das zu nachstehenden Folgerungen. Das Verhältnis des Nennbetrags der Anteile zu dem Nennkapital der Kapitalgesellschaft ist dann nicht allein von ausschlaggebender Bedeutung für das Vorliegen der maßgeblichen Beteiligungshöhe, wenn neben den gesellschaftstypischen Beteiligungen am Kapital noch "sonstige" Beteiligungen bestehen. Hier ist sowohl bei der Prüfung, ob die gesellschaftstypischen Anteile (Aktien, GmbH-Anteile) eine Beteiligung in der erforderlichen Höhe bilden, als auch bei der Prüfung, ob die "sonstigen Anteile" mindestes 1 % betragen, die Gesamtheit der Beteiligungen an der Substanz der Kapitalgesellschaft zu berücksichtigen. Das bedeutet etwa, dass eine Beteiligung im Nennwert von mindestens 1 % des Nennkapitals eine Beteiligung darstellen kann, die geringer ist als nach § 17 EStG gefordert, weil die auf diesen Anteil entfallende Beteiligung an der Substanz der Kapitalgesellschaft durch "sonstige Beteiligungen" begrenzt ist und damit weniger als 1 % beträgt. Im Einzelnen gelten die folgenden Grundsätze.

 

Rz. 76a

Besteht eine Anwartschaft auf die Anteile, die als "ähnliche Beteiligung" zu qualifizieren ist, richtet sich die Beteiligungshöhe nach der Höhe der Anteile, auf die sich die Anwartschaft bezieht. Da eine Anwartschaft nur dann eine "ähnliche" Beteiligung darstellt, wenn sie eine rechtlich gesicherte Rechtsposition enthält, sind die Anteile selbst für den Inhaber nicht mehr verwertbar; an ihre Stelle sind die Anwartschaften getreten. Diese Anwartschaften vermitteln aufgrund ihrer rechtlich gesich...

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