Rz. 34

Streitig ist, ob die "entsprechende" Geltung i. S. d. § 23 Abs. 1 UmwStG dahin gehend zu verstehen ist, dass die Vorbesitzzeiten auch dann anrechenbar sind, wenn der Einbringende die im Rahmen eines Anteilstauschs gem. § 21 UmwStG eingebrachten Anteile in seinem Privatvermögen gehalten hatte.[1]

 

Rz. 35

Für die Einbeziehung der Vorbesitzzeiten im Privatvermögen spricht, dass der Wortlaut des § 4 Abs. 2 S. 3 UmwStG in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich nicht zwangsläufig als Einschränkung auf bisher zum Betriebsvermögen gehörende Anteile zu verstehen ist, da dem unmittelbaren Anwendungsbereich des § 4 UmwStG von vornherein nur Sachverhalte zuzurechnen sind, bei denen die Anteile sich im Betriebsvermögen einer übertragenden Körperschaft befunden haben.

Da § 23 Abs. 1 UmwStG dagegen auch die Einbringung von Anteilen des Privatvermögens erfasst, ist die "entsprechende" Geltung dahin gehend auszulegen, dass die Anrechnung der Vorbesitzzeiten für Zwecke des § 23 Abs. 1 UmwStG auch für bisher zum Privatvermögen gehörende Anteile gilt.

 

Rz. 36

Ob die Vorbesitzzeiten im Privatvermögen angerechnet werden können, ist nach der hier vertretenen Auffassung im Ergebnis jedoch nicht von praktischer Relevanz.

Denn zur Anrechnung der Vorbesitzzeiten im Privatvermögen kommt man nur, wenn man die Regelung des § 4 Abs. 2 S. 3 UmwStG aufgrund seiner entsprechenden Geltung dahin gehend verallgemeinert, dass es tatsächlich nur auf die Besitzzeiten in Form des wirtschaftlichen Eigentums ankommt. Diese Verallgemeinerung hat jedoch zur logischen Konsequenz, dass die Vorbesitzzeiten des Einbringenden im Privatvermögen gem. § 23 Abs. 1 i. V. m. § 4 Abs. 2 S. 3 UmwStG auch nur insoweit angerechnet werden können, als es bei einer fraglichen gesetzlichen Regelung bloß darum geht, dass sich das Wirtschaftsgut im Besitz bzw. im wirtschaftlichen Eigentum der übernehmenden Gesellschaft befunden hat.

 

Rz. 37

Auf die Frage, ob etwaige weitere Tatbestandsmerkmale einer fraglichen gesetzlichen Regelung erfüllt sind, z. B. die Zugehörigkeit zu einem Betriebsvermögen oder die Erreichung einer Mindestbeteiligungsquote, wirkt sich die Rechtsfolge "Anrechnung der Vorbesitzzeiten" jedoch nicht aus. Hierfür kann ggf. die weitreichendere Rechtsfolge "Eintritt in die steuerliche Rechtsstellung" gem. § 23 Abs. 1 i. V. m. § 12 Abs. 3 Hs. 1 UmwStG von Bedeutung sein.[2] Bei der Anrechnung der Vorbesitzzeiten geht es ausschließlich um das zeitliche Moment auf der Tatbestandsebene.

Damit läuft die Anrechnung von privaten Vorbesitzzeiten im Ergebnis ins Leere, da – soweit bekannt – zumindest immer auch eine Betriebsvermögenszugehörigkeit oder eine Beteiligungsquote vorausgesetzt wird.

Rz. 38 einstweilen frei

 

Rz. 39

Im Ergebnis ist daher der Auffassung von Patt zuzustimmen, wonach die Besitzzeitanrechnung nur zu einer Übernahme der tatsächlich durch den Einbringenden verwirklichten Tatbestände führt, nicht aber auch zu einer fiktiven Zugehörigkeit zu einem Betriebsvermögen.[3]

 

Rz. 40

Gegen die von Ritzer geforderte Anrechnung von Vorbesitzzeiten im Privatvermögen auf das Tatbestandsmerkmal "Zugehörigkeitsdauer zum Betriebsvermögen"[4] spricht aus gesetzessystematischer Sicht auch, dies wohl zu einer weitergehenden Rechtsfolge führen würde als z. B. in einem Erbfall, dem klassischen Anwendungsfall der sog. Fußstapfentheorie.

Eine Rechtsfolge, die weiter geht als die Rechtsfolgen eines Erbfalls, dürfte entsprechend der Gesetzesbegründung wohl dem Sinn und Zweck der Regelung widersprechen, da die Gesetzesbegründung auf die sog. Fußstapfentheorie verweist.[5]

Rz. 41 einstweilen frei

[1] Bejahend Ritzer, in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, Köln 2019, § 23 UmwStG Rz. 87, m. w. N.; ablehnend Patt, in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 23 UmwStG Rz. 87; FG München v. 17.9.1991, 7 K 791/85, EFG 1992, 201.
[3] Patt, in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 23 UmwStG Rz. 87.
[4] Vgl. Ritzer, in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, Köln 2019, § 23 UmwStG Rz. 87, m. w. N..
[5] Vgl. BT-Drs. 16/3369, 31.

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