Rz. 203

Da der Tatbestand des Abs. 2 S. 3 für sich allein unbestimmt und daher unanwendbar ist, konkretisiert S. 4 das Tatbestandsmerkmal "Schaffung der Voraussetzungen einer Veräußerung". Nach Abs. 2 S. 4 wird das Vorliegen dieses Tatbestandsmerkmals unwiderlegbar vermutet, wenn innerhalb von 5 Jahren nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag[1] mehr als 20 % der Anteile veräußert werden. Es handelt sich, wie sich aus dem Wortlaut insoweit eindeutig ergibt, nicht um eine widerlegbare Vermutung oder um ein Regelbeispiel, sondern um eine unwiderlegbare Vermutung, sodass dem Stpfl. kein Gegenbeweis möglich ist. Insbesondere kann der Stpfl. nicht darlegen oder beweisen, dass die Veräußerbarkeit der Anteile durch die Spaltung nicht verbessert wurde und auch sonst durch die Spaltung die Voraussetzungen einer Veräußerung nicht geschaffen wurden. Der Gesetzgeber wollte mit dieser unwiderlegbaren Vermutung objektive Kriterien schaffen, die ein Zurückgreifen auf subjektive Vorstellungen unnötig machen.[2]

Eine solche unwiderlegliche Vermutung dürfte europarechtswidrig sein (Rz, 163).

In der Praxis führt sie zudem dazu, dass börsennotierte Gesellschaften bei hohem Streubesitzanteil rechtssicher kaum spaltbar sind.

 

Rz. 203a

Umstritten ist jedoch, ob die Vorschrift auch bedeutet, dass Veräußerungen unter 20 % nie schädlich sind. Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, dass aus den Umständen des Einzelfalles geschlossen werden könne, dass die Spaltung auch bei einer Veräußerung unter 20 % die Voraussetzungen für eine Veräußerung geschaffen werden sollten. Da hierfür keine Vermutung besteht, läge die Beweislast bei der Finanzverwaltung.[3] M.E. ist dem nicht zu folgen, da § 15 Abs. 2 S. 3 UmwStG nur in Zusammenhang mit S. 4 anwendbar ist (Rz. 200). Die Grenze von 20 % hat dann die Funktion einer "Kleinbetragsregelung", die ausschließen soll, dass Veräußerungen von geringen Beteiligungen bereits zur Steuerpflicht der Spaltung führen. Entsprechendes gilt für die Begrenzung auf 5 Jahre (Rz. 220).

 

Rz. 204

Schädlich ist die Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die an der Spaltung beteiligt war. Das sind bei der Aufspaltung und der Abspaltung die übernehmende(n) Körperschaft(en) sowie bei der Abspaltung zusätzlich die übertragende Körperschaft. Auch die Veräußerung von Anteilen an der übertragenden Körperschaft – und damit wirtschaftlich des bei der übertragenden Körperschaft zurückbleibenden Vermögens, das ja nicht steuerneutral übertragen worden ist – schadet.

 

Rz. 205

Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist es – anders als bei § 22 Abs. 1 UmwStG – nicht Voraussetzung, dass die veräußerten Anteile durch die Spaltung neu entstanden sind. Auch die Veräußerung von Altanteilen schadet demnach. Das ist insbesondere bedeutsam für Anteile an der übertragenden Körperschaft bei der Abspaltung (die ja nicht neu entstanden sind) und für vor der Spaltung bestehende Anteile an der übernehmenden Körperschaft bei der Spaltung zur Aufnahme.

Während eine "Sperrfristverhaftung" der Anteile am übertragenden Rechtsträger aus Missbrauchsvermeidungssicht nachvollziehbar erscheint, gilt dies für die am übernehmenden Rechtsträger vor der Spaltung bestehenden Anteile nicht. Da diese Altanteile das abgespaltene Vermögen nicht repräsentieren, indiziert ihre Veräußerung m. E. keinen Missbrauch und zwar unabhängig davon, ob sie von Gesellschaftern des übertragenden Rechtsträgers oder anderen Personen gehalten werden.[4] Etwas anderes mag gelten, wenn stille Reserven von den neuen Anteilen am übernehmenden Rechtsträger auf die alten "überspringen" (d. h. bei nicht wertkongruenter Kapitalerhöhung). In diesem Fall sollten die alten Anteile anteilig sperrfristverhaftet sein. Insgesamt erscheint es daher sinnvoll, im Fall der Spaltung zur Aufnahme bzgl. Altanteilen am übernehmenden Rechtsträger die Rechtsgedanken des § 22 Abs. 7 UmwStG entsprechend anzuwenden.[5]

Sofern die a. A. darauf hinweist, dass in Anbetracht von Abgrenzungsproblemen an "einfach zu ermittelnde und und objektive Umstände" anzuknüpfen sei[6], ist darauf zu verweisen, dass § 22 Abs. 1, 7 UmwStG die gleiche Differenzierung vorsieht. Die Finanzverwaltung wird der hier vertretenen Ansicht aber vermutlich nicht folgen und jegliche Anteile am übertragenden und übernehmenden Rechtsträger als sperrfristverhaftet ansehen.[7]

 

Rz. 206

Zum Veräußerungsbegriff vgl. Rz. 167ff.

 

Rz. 207

Eine ähnliche Frage stell sich, wenn bei einer Upstream-Spaltung ein Teilbetrieb der Tochtergesellschaft auf die Muttergesellschaft abgespalten wird. Neue Anteile der Muttergesellschaft dürfen bei dieser Spaltung nicht ausgegeben werden, da sonst eigene Anteile der Muttergesellschaft entstehen würden.[8] Da die Muttergesellschaft an der Spaltung "beteiligt" ist i. S. d. § 15 Abs. 1 S. 4 UmwStG, wäre eine Veräußerung von Anteilen an der Muttergesellschaft dem Wortlaut nach innerhalb der 5-Jahres-Frist schädlich, obwohl die Spaltung die Veräußerbarkeit der Anteile an der Muttergesellschaft nicht berührt hat und s...

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