Rz. 82

Unklar sind die Auswirkungen, die ein Wiederaufleben von Verbindlichkeiten aufgrund eines Besserungsscheins hat.[1] Wird der Kapitalgesellschaft eine Forderung aufgrund eines Besserungsscheins aufschiebend bedingt erlassen, entsteht bei der Kapitalgesellschaft ein Gewinn, der mit einem etwaigen Verlustvortrag verrechnet werden kann. Lebt die Forderung wieder auf, weil die Bedingungen des Besserungsscheins eingetreten sind, bewirkt die Einbuchung der Forderung bei der Kapitalgesellschaft einen Verlust. Ist in der Zeit zwischen dem Erlass und dem Wiederaufleben der Forderung der Tatbestand des schädlichen Beteiligungserwerbs erfüllt, stellt sich die Frage, ob der durch das Wiedereinbuchen der Forderung entstandene Verlust den Beschränkungen des § 8c Abs. 1 KStG unterliegt.

 
Praxis-Beispiel

Eine Kapitalgesellschaft hat einen hohen Verlustvortrag und muss saniert werden. Zu diesem Zweck erlassen die Gläubiger die Forderungen im Jahr 01 gegen Besserungsschein. Der daraus resultierende Gewinn wird mit dem Verlustvortrag verrechnet, der dadurch voll verbraucht wird. Im Jahr 02 werden die Anteile an einen Investor verkauft, der die Gesellschaft durch Kapitalzuführungen wieder in die Gewinnzone führt. Daher treten im Jahr 04 die Bedingungen des Besserungsscheins ein. Die erlassenen Forderungen leben wieder auf, ihre Einbuchung führt zu einem Verlust.

 

Rz. 82a

Im Beispiel in Rz. 82 ist der Verlust, der vor dem schädlichen Beteiligungserwerb vorhanden war, bei wirtschaftlicher Betrachtung über den Besserungsschein in das Jahr des Wiederauflebens der Forderungen, und damit in einen Zeitraum nach dem schädlichen Beteiligungserwerb, verlagert worden. Damit wird der vor dem Zeitpunkt des schädlichen Beteiligungserwerbs entstandene Verlust in einen nach diesem Zeitpunkt entstandenen Verlust umgewandelt. Der Verfall des Verlustabzugs nach § 8c Abs. 1 KStG betrifft nur den in dem Zeitpunkt des schädlichen Beteiligungserwerbs vorhandenen Verlust; dieser ist aber durch den Gewinn aufgrund des Erlasses der Forderungen vor Erfüllung des Tatbestands des § 8c Abs. 1 KStG ausgeglichen worden. Daher schadet der spätere Beteiligungserwerb nicht. Für den durch Wiedereinbuchen der Forderungen entstehenden Verlust ist der Tatbestand des § 8c Abs. 1 KStG nicht erfüllt, da dieser Verlust nach dem schädlichen Beteiligungserwerb anfällt.[2] Der Verlust ist also abziehbar; durch den Erlass der Forderungen gegen Besserungsschein ist der nicht abziehbare Verlust in einen abziehbaren Verlust "umgewandelt" worden. Dies ist Folge des Grundsatzes, dass das Abzugsverbot des § 8c Abs. 1 KStG nur solche Verluste erfasst, die im Zeitpunkt des schädlichen Beteiligungserwerbs bestanden haben; später entstehende Verluste sind abziehbar.[3] Auf jeden Fall muss der Erlass der Forderung vor dem Erwerb der Anteile erfolgen. Liegt der Erwerb der Anteile früher, gehen die Verluste unter, bevor sie mit dem Gewinn aus dem Erlass der Forderungen verrechnet werden können.

 

Rz. 82b

Ähnliche Gestaltungen bieten sich durch Ausnutzung der Wertaufholung und spätere Abschreibung, Veräußerungen an Organgesellschaften oder das Verbot der Bildung von Drohverlustrückstellungen[4] und anderen Rückstellungen[5] an.

 

Rz. 83

Die Finanzverwaltung[6] hatte zu dem gleichgelagerten Problem nach § 8 Abs. 4 KStG a. F. die Ansicht vertreten, dass der Verlust, der durch das Wiedereinbuchen entsteht, in der Höhe unter das Verlustabzugsverbot fällt, in der er bei Erlass als Gewinn auszuweisen war und daher zu einer steuerlich wirksamen Verrechnung mit dem Verlustvortrag geführt hat. Gleiches soll für den Aufwand aus der rückwirkenden Verzinsung gelten, allerdings nur für die Zinsen, die auf den Zeitraum zwischen Erlass der Forderung und schädlichem Beteiligungserwerb entfallen. Eingeschränkt wird diese Ansicht dadurch, dass dies nur für den Erlass von Gesellschafterforderungen gelten soll, also nicht für den Erlass von Drittforderungen, insbes. von Banken. Es ist zu vermuten, dass die Finanzverwaltung diese Ansicht auf § 8c Abs. 1 KStG übertragen wird.[7]

 

Rz. 83a

Dieser Ansicht des BMF ist nicht zu folgen[8]; sie steht mit dem klaren, einer erweiternden Auslegung nicht fähigen Wortlaut des § 8c Abs. 1 KStG in Widerspruch. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Gesetzgeber bei Erlass des § 8c Abs. 1 KStG in Kenntnis dieser Problematik insoweit keine Regelung geschaffen hat, auf die die Ansicht des BMF gestützt werden könnte.

 

Rz. 83b

Im Einzelfall können selbstverständlich die Voraussetzungen des § 42 AO vorliegen. Diese Vorschrift ist nach § 42 Abs. 2 AO neben § 8c Abs. 1 KStG anwendbar. Wenn es sich jedoch um eine ernstlich gewollte Sanierung aus wirtschaftlichen Gründen handelt, insbes. Nichtgesellschafter (Banken) an dem Schulderlass teilnehmen, liegt kein Rechtsmissbrauch vor. Die Nutzung eines Besserungsscheins kann nicht generell als missbräuchlich eingestuft werden. Der Besserungsschein ist ein anerkanntes und weitgehend genutztes Instrument, um den Gläubigerinteressen im Fall einer Sanier...

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