Rz. 9

In der Praxis gibt es viele Organisationen, die auf die Rechtsfähigkeit verzichten und die Form eines nichtrechtsfähigen Vereins wählen. Dazu gehören insbesondere bestimmte Berufsverbände (Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände), politische Parteien, Kartelle u.Ä. Soweit diese nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen Vermögen besitzen, wird vielfach eine sog. Vermögensverwaltungsgesellschaft in der Form einer Kapitalgesellschaft eingeschaltet (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 6). Damit wird eine größere Flexibilität erreicht, z. B. im Falle des Erwerbs oder der Veräußerung von Grundbesitz.

 

Rz. 10

Eine ausdrückliche Begriffsbestimmung des nichtrechtsfähigen Vereins fehlt sowohl im Zivilrecht als auch im Steuerrecht. Der nichtrechtsfähige Verein unterscheidet sich von einem rechtsfähigen Verein im Allgemeinen nur dadurch, dass er nicht in das Vereinsregister eingetragen bzw. ihm keine Rechtsfähigkeit verliehen worden ist. Die tatsächliche Gestaltung wird in aller Regel den gesetzlichen Bestimmungen für die rechtsfähigen Vereine entsprechen.

 

Rz. 11

Für den nichtrechtsfähigen Verein fehlen auch besondere gesetzliche Vorschriften. Lediglich § 54 BGB bestimmt, dass „auf Vereine, die nicht rechtsfähig sind”, „die Vorschriften über die Gesellschaft” des bürgerlichen Rechts[1] Anwendung finden. Aus einem Rechtsgeschäft, das im Namen eines solchen Vereins einem Dritten gegenüber vorgenommen wird, haftet der Handelnde persönlich; handeln mehrere, so haften sie als Gesamtschuldner. Die Rechtspraxis hat jedoch den nichtrechtsfähigen Verein in gewisser Hinsicht dem rechtsfähigen Verein angenähert; so wird eine der Haftung des Mitglieds eines rechtsfähigen Vereins vergleichbare Haftungsbeschränkung für die Mitglieder des nichtrechtsfähigen Vereins dadurch erreicht, dass angenommen wird, dass der Vorstand das einzelne Mitglied nur hinsichtlich seines Anteils am Vereinsvermögen verpflichten darf.[2]

Die Grenze zwischen einem nichtrechtsfähigen Verein und einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts ist fließend. Allgemein gültige Abgrenzungsregeln lassen sich nicht aufstellen. Die Entscheidung muss vielmehr stets auf die Verhältnisse im Einzelfall abstellen. Dabei kommt den vertraglichen Abmachungen und dem tatsächlichen Verhalten der Beteiligten besondere Bedeutung zu. Auf die äußere Form und die Bezeichnung des Gebildes (Club, Gemeinschaft, Gesellschaft, Verband, Verein usw.) kommt es nicht an. Steuerlich ist zu unterscheiden, ob die beteiligten Personen Mitglieder eines körperschaftsteuerpflichtigen nichtrechtsfähigen Vereins oder Gesellschafter einer nicht körperschaftsteuerpflichtigen Personengesellschaft sind.

 

Rz. 12

Nach § 2 des Gesetzes zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts[3] vom 5.8.1964[4] ist ein Verein jede Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat.

Der nicht rechtsfähige Verein hat eine körperschaftliche Struktur. Er hat sich eine Verfassung gegeben, auf Grund derer er (wirtschaftlicher) Eigentümer des Vermögens und unmittelbarer Bezieher des Einkommens geworden ist. Er steht seinen Mitgliedern als einheitliches Ganzes gegenüber und tritt nach außen als Einheit unter einem Gesamtnamen auf. Der Zweck des Vereins überdauert die Einzelpersönlichkeit der Mitglieder und ist von ihnen unabhängig. Die Geschäftstätigkeit wird vom Vorstand ausgeübt. Den Beschlüssen der Mitgliederversammlung kann sich das einzelne Mitglied nicht entziehen; denn nur dann, wenn die Beteiligten ihre unmittelbare Verfügungsmacht durch einen organisierten Akt zugunsten eines Gemeinschaftsorgans aufgegeben haben, kann das geschaffene Rechtsgebilde wie ein Eigentümer über die Vermögenswerte verfügen und wie eine Rechtsperson Einkommen beziehen. In einem Verein herrscht grundsätzlich Stimmengleichheit der Mitglieder. Er kann einen wechselnden Mitgliederbestand haben. Das Ausscheiden und die Neuaufnahme von Mitgliedern — gegen oder ohne Aufnahmegebühr — berühren wegen seiner rechtlichen Verselbstständigung den Bestand des Vereins nicht. Die Mitglieder haben keinen Anspruch auf das Vereinsvermögen, solange der Verein nicht aufgelöst wird. Bei Erlöschen der Mitgliedschaft steht weder dem ausgeschiedenen Mitglied noch seinen Erben ein Anspruch auf eine dem Wert der Vermögensbeteiligung entsprechende Abfindung zu.[5]

Folgende Beispiele aus der Rechtsprechung sind für nichtrechtsfähige Vereine zu nennen:

  • Ein Konsortium ohne Rechtsfähigkeit, das als selbständiger Wirtschaftskörper nach außen aufgetreten ist, sich eine Verfassung beigelegt hat, auf Grund derer die Teilrechte der Mitglieder die Eigenschaft von Beteiligungen angenommen haben, wie sie sonst den Mitgliedern rechtsfähiger Körperschaften eingeräumt sind, stellt einen nichtrechtsfähigen Verein dar.[6]
  • Eine Gepäckträgergemeinschaft, die nach außen als selbständiger Wirtschaftskörper auftritt, die in ihrem von den Mitgliedern gewählten Obmann ei...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge