Rz. 40

Nach § 27 Abs. 1 S. 3-5 KStG besteht eine allgemeine Verwendungsreihenfolge. Diese bestimmt, dass Leistungen der Kapitalgesellschaft zunächst aus dem ausschüttbaren Gewinn finanziert werden. Ist kein ausschüttbarer Gewinn (mehr) vorhanden, wird insoweit das steuerliche Einlagekonto verwendet. Der Direktzugriff auf das steuerliche Einlagekonto wird auf Ausnahmefälle beschränkt.

 

Rz. 41

Die Verwendungsreihenfolge ist für den Gesellschafter von erheblicher Bedeutung, da hierdurch festgelegt wird, ob die Auskehrung der Körperschaft bei ihm der Besteuerung unterfällt oder nicht. Diese stellt eine Fiktion dar, die aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung zulässig ist.[1] Darüber hinaus dürfte eine Nämlichkeit im strengen Sinn zwischen einzelnen Bestandteilen des Eigenkapitals (Kapitalrücklagen, Gewinnrücklagen etc.) und Auskehrungen der Körperschaft bzw. des steuerlichen Einlagekontos nicht bestehen.[2] Eine Ausnahme ergibt sich lediglich für das Nennkapital, welches bei Herabsetzung und Auskehrung einen Direktzugriff erlaubt. Für die Nämlichkeit der ausgekehrten Beträge mit den zuvor geleisteten Einlagen spricht hierbei das formelle Verfahren, das durch notarielle Beurkundung sowie Eintragung im Handelsregister objektiviert ist.

 

Rz. 42

Leistungen der Körperschaft stellen sämtliche Auskehrungen der Körperschaft an die Anteilseigner dar, deren Ursache im Gesellschaftsverhältnis liegt.[3] Hierzu zählen sowohl offene als auch verdeckte Gewinnausschüttungen sowie Leistungen auf beteiligungsähnliche Genussrechte, überdies sämtliche gesellschaftsrechtlich verursachte Leistungen an die Gesellschafter.[4] Der Begriff der Leistung ist m. E. weit auszulegen und umfasst sämtliche Auskehrungen der Körperschaft an Anteilseigner, sofern diese keine (steuerrechtlich anzuerkennende) schuldrechtliche Grundlage haben.

 

Rz. 43

Erbringt die Körperschaft eine Leistung an den Anteilseigner, ist insoweit vorrangig der im Leistungszeitpunkt vorhandene ausschüttbare Gewinn zu mindern. Soweit die Leistung der Körperschaft den im Leistungszeitpunkt vorhandenen ausschüttbaren Gewinn übersteigt, gilt das steuerliche Einlagekonto als verwendet. Eine hiervon abweichende Verwendung der Bestandteile des steuerlichen Einlagekontos ist ausgeschlossen, ein Direktzugriff nur in den o. g. Ausnahmefällen möglich.[5]

 

Rz. 44

Die Verwendungsreihenfolge gilt auch bei unterjährigen Zu- und Abgängen des steuerlichen Einlagekontos. Aufgrund der stichtagsbezogenen Betrachtungsweise ist stets auf die zum Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs festgestellten Werte abzustellen.[6] Einlagen eines Wirtschaftsjahrs stehen mithin nicht für eine Verwendung im selben Wirtschaftsjahr zur Verfügung. Diese höchstrichterlich bestätigte Gesetzessystematik ist auf erhebliche Kritik gestoßen.[7] Die Kritik ist m. E. aber aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts nicht überzeugend. In der Praxis kann hierdurch die paradox anmutende Situation entstehen, dass eine Einlage in die Gesellschaft eingezahlt und kurzfristig wieder zurückgezahlt wird, die Rückzahlung dann aber als laufender Bezug i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gilt.[8] Die Gesetzessystematik ist einem Vereinfachungsgedanken geschuldet und insoweit im Rahmen der zulässigen Typisierung nicht zu beanstanden.[9] Dies gilt selbst dann, wenn weder ein ausschüttbarer Gewinn noch ein Bestand auf dem steuerlichen Einlagekonto vorhanden ist, da mangels Verwendung des steuerlichen Einlagekontos kein Bezug auf der Vermögensebene des Gesellschafters vorliegen kann. Im Falle nur vorübergehender Zurverfügungstellung von Liquidität sollte daher ein Darlehen und keine Einlage gewährt werden, um die Mittel steuerneutral zurückerhalten zu können.

 

Rz. 45

Die Verwendungsreihenfolge ist rein steuerrechtlich zu verstehen und besteht unabhängig von der handelsrechtlichen Einordnung der Leistung der Körperschaft. Dies bedeutet, dass bei einer Leistung handelsrechtlich eine Einlagenrückgewähr vorliegen, steuerrechtlich jedoch eine Gewinnausschüttung anzunehmen sein kann und umgekehrt. Bei Fällen mit Auslandsbezug ist hingegen zu unterscheiden, ob die ausländische Körperschaft in einem Staat der Europäischen Union (dann Anwendung des § 27 Abs. 8 KStG) oder einem Drittstaat ansässig ist.[10]

 

Rz. 46

Die Verwendungsreihenfolge ist streng nach steuerrechtlichen Kriterien zu beachten. Demnach kann ein positiver Bestand des steuerlichen Einlagekontos nur dann verwendet werden, wenn die Leistung der Körperschaft den im Leistungszeitpunkt vorhandenen ausschüttbaren Gewinn übersteigt oder ein Direktzugriff vom Gesetz explizit zugelassen wird. Eine darüber hinausgehende gezielte Einlagenrückgewähr bzw. durch Willensbildung beeinflussbare Verwendung des steuerlichen Einlagekontos ist demgegenüber nicht möglich.

[1] BT-Drs. 16/2710, 32; bestätigt durch BFH v. 30.1.2013, I R 35/11, BStBl II 2013, 560, BFH/NV 2013, 1195 sowie BFH v. 11.2.2015, I R 3/14, BStBl II 2015, 816, BFH/NV 2015, 1204.
[3] St. ...

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