Rz. 208

Finanzielle Eingliederung liegt nach § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 KStG vor, wenn der Organträger an der Organgesellschaft in einem solchen Umfang beteiligt ist, dass ihm die Mehrheit der Stimmrechte zusteht. Die finanzielle Eingliederung soll gewährleisten, dass der Organträger in den im regelmäßigen Geschäftsverkehr auftretenden Fragen seinen Willen durchsetzen kann. Demgemäß stellt das Gesetz auch nicht auf die Mehrheit der Anteile ab, sondern auf die Mehrheit der Stimmrechte. Fallen Höhe der Beteiligung und Stimmrechte auseinander, z. B. bei stimmrechtslosen Aktien oder Mehrfachstimmrecht, kann es vorkommen, dass die Mehrheit der Beteiligung nicht die Mehrheit der Stimmrechte gewährt, während andererseits eine Beteiligung von weniger als 50 % die Mehrheit der Stimmrechte gewähren kann.

 

Rz. 209

Besitzt die Organgesellschaft eigene Anteile, ruht deren Stimmrecht, sodass auch eine Beteiligung von weniger als 50 % die Mehrheit der nicht ruhenden Stimmrechte gewähren kann.

 

Rz. 210

Der Begriff "Mehrheit der Stimmrechte" ist nach seinem Zweck auszulegen, dem Organträger die Durchsetzung seines Willens in Fragen des regelmäßigen Geschäftsverkehrs zu ermöglichen. Für die Beschlussfassung in der Gesellschafter- oder Hauptversammlung der Organgesellschaft genügt i. d. R. eine Mehrheit von mehr als 50 %.[1] Diese Mehrheit reicht daher für die finanzielle Eingliederung aus. Dabei ist es unschädlich, wenn kraft Gesetzes oder Satzung für einzelne außergewöhnliche Beschlüsse eine qualifizierte Mehrheit erforderlich ist. Solche außergewöhnlichen Beschlüsse sind etwa Satzungsänderung und Umwandlungsbeschlüsse. Bestimmt aber die Satzung der Organgesellschaft, dass Beschlüsse der Haupt- oder Gesellschafterversammlung generell nur mit qualifizierter Mehrheit gefasst werden können, ist erst bei der Verfügung über diese qualifizierte Mehrheit eine Durchsetzung des Willens des Organträgers möglich. Die finanzielle Eingliederung erfordert in diesen Fällen die qualifizierte statt der absoluten Stimmenmehrheit.[2] Dabei kommt es nicht darauf an, in welchem Umfang die Geschäftsführung die Zustimmung der Gesellschafterversammlung einholen muss. Die Gesellschafterversammlung kann, zumindest bei der GmbH, der Geschäftsführung jederzeit und in jedem Umfang Weisungen erteilen. Daher beherrscht die Gesellschafterversammlung die Gesellschaft. Ist diese Beherrschung nur mit qualifizierter Mehrheit möglich, muss der Organträger über diese qualifizierte Mehrheit verfügen. Ist nach der Satzung nicht für alle, sondern nur für einen Teil der Beschlüsse die qualifizierte Mehrheit erforderlich, ist im Einzelfall abzuwägen, ob nach dem Gesamtbild der Umstände eine Durchsetzung des Willens des Organträgers in der Organgesellschaft in den wichtigen, im regelmäßigen Geschäftsverkehr vorkommenden Entscheidungen, wenn auch nicht in einzelnen außergewöhnlichen Fragen, möglich ist. Ist das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit zwar enumerativ geregelt, der Katalog aber so umfangreich, dass mit der Mehrheit von mehr als 50 % nur wenige, unbedeutende Beschlüsse gefasst werden können, die meisten Beschlüsse aber – vor allem für den laufenden Geschäftsverkehr – eine qualifizierte Mehrheit erfordern, ist die finanzielle Eingliederung nur bei Vorliegen dieser qualifizierten Mehrheit gegeben. Maßgebend ist dabei, ob es dem Organträger möglich ist, durch Ausübung der ihm zustehenden Stimmrechte so Einfluss zu nehmen, dass er seinen Willen im regelmäßigen Geschäftsverkehr durchsetzen und die Organgesellschaft auf diese Weise im Wesentlichen beherrschen kann.[3]

Andererseits wird die finanzielle Eingliederung durch einfache Mehrheit nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Satzung für außerordentliche Beschlüsse, wie Satzungsänderungen und Umwandlungen, eine qualifizierte Mehrheit vorsieht.[4]

 

Rz. 211

Bestehen für einzelne Geschäfte Stimmrechtsverbote, z. B. bei der Entscheidung über Geschäfte zwischen Gesellschaft und Gesellschafter, schließt das die finanzielle Eingliederung nicht aus.[5]

 

Rz. 212

Die finanzielle Beherrschung muss auf der Ausübung der Stimmrechte beruhen, also auf der gesellschaftsrechtlichen Stellung. Eine Beherrschung in anderer Weise, z. B. aufgrund von schuldrechtlichen Lieferungs- und Leistungsverträgen, genügt nicht. Insbesondere kann ein Kreditgeber, der nicht über die Mehrheit der Stimmrechte verfügt, nicht Organträger sein, auch wenn jede wichtige Entscheidung aufgrund seiner tatsächlichen Machtposition bzw. der bindenden Kreditverträge von seiner Zustimmung abhängt.

 

Rz. 212a

Wird, wie hier in Rz. 62b vertreten, aus der Rspr. des EuGH abgeleitet, dass ein Organschaftsverhältnis zwischen inl. Schwestergesellschaften ermöglicht werden muss, wenn die gemeinsame Muttergesellschaft im Ausland ansässig ist[6] ist der Begriff der finanziellen Eingliederung zu erweitern. Die finanzielle Eingliederung erfordert dann nicht unbedingt eine Eingliederung der Tochter- in die Muttergesellschaft. Vielmehr würde es für eine finanzielle Eingliederung i....

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