Rz. 67

Das Abzugsverbot für Aufsichtsratsvergütungen war seit Inkrafttreten des KStG 1934 in § 12 Nr. 3 KStG enthalten. Hiernach waren Aufsichtsratsvergütungen in voller Höhe nicht abziehbar, obwohl es sich eindeutig um Betriebsausgaben handelte. Zurückzuführen ist das Abzugsverbot auf das alte KSt-System, das die Doppelbelastung mit KSt und ESt wollte und durch das Abzugsverbot Umgehungen vermeiden wollte.[1] Die verfassungsgerichtliche Einschätzung der Verfassungskonformität der hälftigen Nichtabzugsfähigkeit von Aufsichtsratsvergütungen erscheint wegen der inzwischen ergriffenen gesetzgeberischen Maßnahmen zur Professionalisierung des Aufsichtsrats[2] als fragwürdig. Gemessen am Folgerichtigkeitsprinzip liegt ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor.[3]

 

Rz. 68

Mit der Einführung des Anrechnungsverfahrens durch die KSt-Reform 1976, das die Doppelbelastung beseitigen sollte, entfielen die Gründe, die ein Abzugsverbot für Aufsichtsratsvergütungen systematisch rechtfertigen konnten. Dementsprechend hatte der Regierungsentwurf[4] zunächst die volle Abziehbarkeit von Aufsichtsratsvergütungen als Betriebsausgaben vorgesehen. Das hälftige Abzugsverbot geht auf den Finanzausschuss des Deutschen Bundestags zurück, der darin ein geeignetes Mittel sah, das Interesse an überhöhten Aufsichtsratsvergütungen zu mindern und andere aufkommensmindernde Gesetzesänderungen zu refinanzieren.[5]

 

Rz. 69

Die Abzugsbeschränkungen für Aufsichtsratsvergütungen sind im Schrifttum weitgehend und m. E. im Ergebnis zu Recht auf Kritik gestoßen.[6] Auch nach dem Systemwechsel zum Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren versteuert das Aufsichtsratsmitglied die erhaltenen Aufsichtsratsvergütungen – und zwar in vollem Umfang – i. d. R. als Einkünfte aus selbstständiger Arbeit[7]; zusätzlich unterliegt die Hälfte dieser Bezüge auf Ebene der Körperschaft der Ertragsteuer. Das hälftige Abzugsverbot ist heute jedenfalls rechtspolitisch überholt. Der Aufgaben- und Verantwortungsbereich von Aufsichtsräten ist beträchtlich erweitert worden.[8] Gerade angesichts der gestiegenen Anforderungen an Aufsichtsratsmitglieder ist nicht ersichtlich, dass überhöhte Aufsichtsratsvergütungen tatsächlich ein erhebliches Problem darstellen.[9] Im Einzelfall dürften überhöhte Aufsichtsratsvergütungen (ähnlich wie überhöhte Geschäftsführergehälter) häufig die Voraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung erfüllen. Damit dürfte unangemessen hohen Aufsichtsratsvergütungen mit steuerlichen Mitteln hinreichend begegnet werden können.

[1] BVerfG v. 7.11.1972, 1 BvR 338/68, HFR 1973, 135: § 12 Nr. 3 KStG a. F. verfassungsrechtlich unbedenklich.
[2] Rz. 69.
[3] Schulze-Osterloh, Festschrift Offerhaus, 1999, 375; Haarmann, Festschrift Endres 2016, 149; a. A. Schwan, Steuerliche Begrenzungsmöglichkeiten der Vergütung von Vorstand und Aufsichtsrat, 2012; Valta, in Mössner/Oellerich/Valta, KStG, 5. Aufl. 2021, § 10 KStG Rz. 163: Rechtfertigung als Lenkungszweck.
[4] BT-Drs. 7/1470, 344.
[5] BT-Drs. 7/5310, 8.
[6] Kritisch Clemm/Clemm, BB 2001, 1873; Hey, Beihefter zu DStR 2009 Nr. 34, 109; dagegen befürwortet Peetz, GmbHR 2009, 977, die Abzugsbeschränkung.
[8] Insbesondere durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) v. 27.4.1998, BGBl I 1998, 786.
[9] Clemm/Clemm, BB 2001, 1873.

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