Rz. 92

Die erweiterte Kürzung findet nach § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 2 GewStG ebenfalls keine Anwendung, soweit der Gewerbeertrag des Grundstücksunternehmens Gewinne aus der Aufdeckung stiller Reserven aus dem Grundbesitz enthält, der innerhalb von 3 Jahren vor der Aufdeckung der stillen Reserven zu einem unter dem Teilwert liegenden Wert in das Betriebsvermögen des aufdeckenden Grundbesitzunternehmens überführt oder übertragen worden ist, soweit diese Gewinne auf bis zur Überführung oder Übertragung entstandene stille Reserven entfallen.

 

Rz. 93

§ 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 2 GewStG soll Umweggestaltungen verhindern. Kapitalgesellschaften können nach § 6 Abs. 5 S. 2 EStG Grundbesitz in eine grundstücksverwaltende Personengesellschaft zu einem unter dem Teilwert liegenden Wert einbringen und den Grundbesitz dann nach § 9 Nr. 1 S. 2, 3 GewStG gewerbesteuerfrei veräußern. Dann werden die stillen Reserven des Grundbesitzes nicht mit GewSt belastet, da sowohl der nachträgliche Ansatz der Teilwerte als auch die bestehende GewSt-Pflicht nach § 7 S. 2 GewStG in die erweiterte Kürzung einzubeziehen sind. Bei dieser Konstellation entfällt die erweiterte Kürzung, wenn der Grundbesitz zum einen steuerneutral übertragen wurde und zum anderen die Veräußerung innerhalb einer Behaltefrist von 3 Jahren erfolgte. Im Ergebnis stellt § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 2 GewStG damit eine Missbrauchsregelung dar.[1]

 

Rz. 94

Voraussetzung für die Anwendung von § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 2 GewStG ist, dass der Grundbesitz zu einem unter dem Teilwert liegenden Wert in das Betriebsvermögen des aufdeckenden Gewerbebetriebs überführt oder übertragen wurde. Eine steuerneutrale Übertragung scheidet aus, wenn wegen des nach § 6 Abs. 5 S. 4 Halbs. 1 EStG bei Grundstücksverkäufen oder Entnahmen innerhalb von 3 Jahren bestehenden Aufstockungszwangs nachträglich der Teilwert angesetzt wird. Der Zwang zur Aufdeckung der stillen Reserven kommt in diesem Fall aber nicht zum Tragen, wenn die stillen Reserven per Ergänzungsbilanz dem übertragenden Gesellschafter nach § 6 Abs. 5 S. 4 Halbs. 2 EStG zugeordnet werden.[2] Der Begriff "Übertragung" ist i. S. eines Rechtsträgerwechsels mit Übergang des wirtschaftlichen Eigentums, der Begriff "Überführung" i. S. eines Wechsels der steuerlichen Zuordnung zu einem Betriebsvermögen ohne Rechtsträgerwechsel zu verstehen.[3] Allerdings sind im Rahmen einer normspezifischen Auslegung der Begriffe "Überführung" bzw. "Übertragung" in § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 2 GewStG die Wertungen des § 4 Abs. 2 S. 3 UmwStG einzubeziehen. Liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 S. 3 UmwStG vor, ist für die Frage, wann der betreffende Grundbesitz i. S. d. § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 2 GewStG in das Betriebsvermögen des aufdeckenden Gewerbebetriebs (als übernehmende Gesellschaft) "überführt" oder "übertragen" worden ist, auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem er in das Betriebsvermögen der übertragenden Gesellschaft gelangt ist.[4] § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 2 GewStG enthält keine Beschränkung bezüglich der Rechtsform der übernehmenden Gesellschaft. Als übernehmende Gesellschaft kann auch eine Kapitalgesellschaft in Betracht kommen.[5] Besteuert werden nur die aufgedeckten stillen Reserven, die bis zur steuerneutralen Überführung oder Übertragung entstanden sind. Lassen sich die bis zu diesem Zeitpunkt aufgedeckten stillen Reserven nicht feststellen oder in zutreffender Weise schätzen, trägt die Finanzverwaltung die Feststellungslast.[6]

 

Rz. 95

§ 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 2 GewStG erfasst nach seiner ausdrücklichen Regelung nur die Aufdeckung stiller Reserven innerhalb eines Zeitraums von 3 Jahren. Die gewerbesteuerliche Fristenregelung weicht damit von der Fristenregelung in § 6 Abs. 5 S. 4 EStG ab. Damit kann die einkommensteuerliche Gewinnrealisierung zu einem Zeitpunkt eintreten, zu dem die erweiterte Kürzung bereits wieder zulässig ist. Es ist zwar davon auszugehen, dass der Gesetzgeber dieses Ergebnis nicht gewollt hat, aufgrund der eindeutigen gesetzlichen Regelungen ist aber eine andere Wertung nicht möglich.[7]

[1] Roser, in Lenski/Steinberg, GewStG, § 9 Nr. 1 GewStG Rz. 216.
[2] Gosch, in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 9 GewStG Rz. 111.
[3] Roser, in Lenski/Steinberg, GewStG, § 9 Nr. 1 GewStG Rz. 217; Güroff, in Glanegger/Güroff, GewStG, 10. Aufl. 2021, § 9 Nr. 1 GewStG Rz. 35.
[6] Roser, in Lenski/Steinberg, GewStG, § 9 Nr. 1 GewStG Rz. 220; Güroff, in Glanegger/Güroff, GewStG, 10. Aufl. 2021, § 9 Nr. 1 GewStG Rz. 35.
[7] Roser, in Lenski/Steinberg, GewStG, § 9 Nr. 1 GewStG Rz. 222; Gosch, in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 9 GewStG Rz. 111a; Güroff, in Glanegger/Güroff, GewStG, 10. Aufl. 2021, § 9 Nr. 1 GewStG Rz. 35.

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