Rz. 12

Unbillig ist das Zerlegungsergebnis, wenn es bei objektiver Beurteilung ungerecht bzw. unsachlich ist, wobei sich die Ungerechtigkeit bzw. Unsachlichkeit gerade aus der Anwendung der Zerlegungsmaßstäbe nach den §§ 29, 31 GewStG ergeben muss. Zu bejahen ist dies dann, wenn diese Maßstäbe nicht dem Verhältnis der den einzelnen Gemeinden durch die Betriebsstätten des Unternehmens entstehenden Lasten entsprechen. Es muss ein deutliches Missverhältnis zwischen dem den jeweiligen Gemeinden zugewiesenen Anteil am GewSt-Messbetrag und dem Anteil der den einzelnen Gemeinden erwachsenen Lasten bestehen.[1] Dabei müssen die Lasten unmittelbar durch die Betriebsstätte entstehen. In diesem Zusammenhang können der Gemeinde entgehende Einnahmen, die durch die eingeschränkte Möglichkeit der gemeindlichen Weiterentwicklung – z. B. aufgrund des Ausweises von Siedlungsbeschränkungs- oder Bauschutzbereichen – entstehen, nicht mit effektiven Belastungen der gemeindlichen Haushalte gleichgesetzt werden.[2] Zu den durch die Betriebsstätte unmittelbar verursachten Lasten gehören insbesondere die Arbeitnehmerfolgelasten, wie die Aufwendungen der Gemeinden für den Bau von Straßen, Schulen, Krankenhäusern etc. für die dort wohnenden Arbeitnehmer der Betriebsstätte.[3] Lasten anderer Art, die durch das Vorhandensein der Betriebsstätte entstehen, haben nur dann eine Unbilligkeit i. S. d. § 33 Abs. 1 GewStG zur Folge, wenn sie sowohl ins Gewicht fallen als auch atypisch sind.[4] Zu bejahen ist dies nur dann, wenn aufgrund der atypischen Umstände des Einzelfalls die sich aus dem groben Maßstab der §§ 29, 31 GewStG allgemein ergebende Unbilligkeit offensichtlich übertroffen wird.[5] Sog. "weiche" Belastungen – z. B. Umweltbelastungen, Lärm, Schadstoffausstoß oder Werteverluste an Grundstücken – sind nicht berücksichtigungsfähig, da sie nicht quantifizierbar sind.[6] In diesem Zusammenhang begründet auch § 29 Abs. 1 Nr. 2 GewStG, wonach in bestimmten Fällen wegen der bestehenden Umweltbelastungen die Arbeitslöhne nur teilweise im Rahmen der Zerlegung berücksichtigt werden, keine offenbare Unbilligkeit i. S. d. § 33 Abs. 1 GewStG bei Anwendung des Regelzerlegungsmaßstabs nach den §§ 29, 31 GewStG in ähnlich gelagerten Fällen.[7] Im Rahmen der Billigkeitsprüfung nach § 33 Abs. 1 GewStG können ferner solche Lasten nicht berücksichtigt werden, für die der Gemeinde ein Gebührenerhebungsrecht oder zivilrechtliche Schadensersatzansprüche zustehen.[8] Maßgebend für die Beurteilung sind jeweils die konkreten Verhältnisse im Einzelfall.

 

Rz. 13

Nicht jede offenbare Unbilligkeit rechtfertigt es allerdings, den GewSt-Messbetrag nach § 33 Abs. 1 GewStG zu zerlegen. In Betracht kommt dies nur dann, wenn die Unbilligkeit erhebliches Gewicht hat.[9] Dieses den Anwendungsbereich von § 33 Abs. 1 GewStG einschränkende Merkmal ergibt sich aus dem Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen den §§ 29, 31 GewStG einerseits und § 33 Abs. 1 GewStG andererseits.[10] Im Regelfall ist – von den Fällen des § 30 GewStG abgesehen – der GewSt-Messbetrag nach dem sich aus den §§ 29, 31 GewStG ergebenden Maßstab zu zerlegen. Diesen Zerlegungsmaßstab hat der Gesetzgeber aus Gründen der Praktikabilität, ohne die Verhältnisse des Einzelfalls zu berücksichtigen, bewusst einfach und pauschal gestaltet und die sich daraus i. d. R. immer ergebenden und zumeist auch offenbaren Ungerechtigkeiten bewusst in Kauf genommen.[11] Würde nun jede derartige Ungerechtigkeit zur Anwendung von § 33 Abs. 1 GewStG führen, würde die gesetzgeberische Wertung durchbrochen und die Zerlegung nach § 33 Abs. 1 GewStG zur Regel, die nach den §§ 29, 31 GewStG zur Ausnahme werden. Vor diesem Hintergrund kann eine offenbare Unbilligkeit i. S. d. § 33 Abs. 1 GewStG nur dann angenommen werden, wenn aufgrund atypischer Umstände des Einzelfalls die sich aus den §§ 29, 31 GewStG allgemein ergebende, vielfach auch grobe Unbilligkeit deutlich überschritten wird und nicht mehr mit Gründen der Praktikabilität gerechtfertigt werden kann.[12]

 

Rz. 14

Die Unbilligkeit des Zerlegungsergebnisses muss des Weiteren eindeutig[13] und offenbar[14] sein. Sie muss damit für jedermann, der sachlich in der Lage ist, den entsprechenden Zerlegungsfall zu beurteilen, eindeutig und augenfällig sein.[15] Außerdem darf die Betriebsstätte nicht nur geringe Bedeutung besitzen.[16]

 

Rz. 15

§ 33 Abs. 1 GewStG greift nicht, wenn die Anwendung des Regelmaßstabs nur allgemein zu sich aus dem Zerlegungssystem ergebenden unbilligen Ergebnissen führt[17], wenn eine Betriebsstättengemeinde bei der Zerlegung nach den Arbeitslöhnen unberücksichtigt bleibt, da sich aus § 28 GewStG nicht entnehmen lässt, dass jeder Betriebsstättengemeinde auch ein Anspruch auf Beteiligung am GewSt-Messbetrag zusteht[18] oder wenn bei einem abweichenden Wirtschaftsjahr für den maßgebenden Gewerbeertrag teilweise ein anderer Zeitraum zugrunde zu legen ist als für den Zerlegungsmaßstab.[19] Auch der Umstand, dass eine Betriebsstätte mit einer verhältnismäßig geringen Zahl vo...

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