Rz. 25

Auch die GewSt folgt dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung. Danach sind die Besteuerungsgrundlagen für jeden Steuerabschnitt – ungeachtet vorangegangener Steuerabschnitte – neu zu ermitteln. § 10a GewStG, der einen zeitlich unbeschränkten, aber betragsmäßig beschränkten Verlustabzug ermöglicht, durchbricht den Grundsatz der Abschnittsbesteuerung. Die Regelung ist Ausdruck der Steuergerechtigkeit. Zum einen mildert sie Härten, die sich aus der Abschnittsbesteuerung ergeben.[1] Zum anderen wird dem Risiko einer Überbesteuerung des insgesamt während der Existenz des Gewerbebetriebs tatsächlich erzielten Gewerbeertrags entgegengewirkt.[2] Durch den Verlustvortrag trägt der Gesetzgeber dem abschnittsübergreifenden Nettoprinzip Rechnung. Es ist Ausdruck des Leistungsfähigkeitsprinzips, welches in seiner objektivierten Ausprägung auch im Rahmen der GewSt gilt.[3]

 

Rz. 26

Die betragsmäßige Beschränkung des Verlustabzugs i. S. einer Mindestbesteuerung ist mit dem verfassungsrechtlichen Leistungsfähigkeitsprinzip vereinbar.[4] Das Leistungsfähigkeitsprinzip verlangt nur, dass Verluste überhaupt steuerlich berücksichtigt werden. Eine zeitliche Streckung des Verlustausgleichs ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.[5] Die Mindestbesteuerung steht im Spannungsverhältnis zwischen dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung und dem Grundsatz des abschnittsübergreifenden Nettoprinzips. Besteht ein Wertungswiderspruch zwischen den beiden Grundsätzen, ist der Gesetzgeber nicht verpflichtet, diesen einseitig zugunsten des Nettoprinzips zu lösen. Er hat vielmehr abzuwägen und zu entscheiden, welches der beiden Prinzipien den Vorzug erhalten soll. Ist diese Entscheidung nicht willkürlich, kann die vom Gesetzgeber gewählte Regelung nicht beanstandet werden.[6] Vor dem Hintergrund, dass im Rahmen der Mindestbesteuerung der Verlustausgleich nicht versagt, sondern nur zeitlich gestreckt wird, ist die Entscheidung des Gesetzgebers zugunsten der Stärkung und Verstetigung der steuerlichen Gemeindefinanzierung und damit zugunsten der Abschnittsbesteuerung nicht als willkürlich anzusehen.

 

Rz. 27

Fraglich ist allerdings, ob dies auch dann gilt, wenn die Mindestbesteuerung im Einzelfall dazu führt, dass Fehlbeträge ganz oder teilweise gewerbesteuerlich keine Berücksichtigung mehr finden können (Definitivwirkung). Relevant werden kann dies z. B. bei einer Betriebsbeendigung oder falls der Stpfl. zukünftig keine die Fehlbeträge übersteigenden positiven Gewerbeerträge mehr erzielen kann.

 

Rz. 27a

Innerhalb des BFH ist die Verfassungsmäßigkeit der Mindestbesteuerung in den Fällen der Definitivwirkung umstritten.

 

Rz. 27b

Nach Auffassung des IV. Senats des BFH[7] verstößt die Mindestbesteuerung nach § 10a S. 1 und 2 GewStG nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dies gilt auch in den Fällen, in denen die Mindestbesteuerung zu einem endgültigen Untergang des Verlustvortrags führt. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit der Definitivbesteuerung infolge der Mindestbesteuerung erkannt und bei der Ausgestaltung von § 10a S. 1 und 2 GewStG durch die Anhebung des Sockelbetrags auf 1 Mio. EUR und die Anhebung des Prozentsatzes für den zusätzlich abziehbaren Verlust auf 60 % berücksichtigt. Dadurch hat er die Zahl der Fälle einer möglichen Definitivbesteuerung in großem Umfang reduziert. Hinsichtlich der verbleibenden denkbaren Einzelfälle ist keine gesetzliche Regelung erkennbar, durch die die Definitivbelastung hätte ausgeschlossen werden können, ohne das System der Mindestbesteuerung insgesamt aufzugeben. Vor diesem Hintergrund konnte der Gesetzgeber sich darauf verlassen, dass die noch verbleibenden Fälle einer Definitivbesteuerung durch Billigkeitsmaßnahmen vermieden werden können. Billigkeitsmaßnahmen kommen aber nicht in Betracht, wenn der Stpfl. durch sein eigenes Verhalten dazu beigetragen hat, dass ein Gewerbeertrag entstanden ist, der nach § 10a S. 1 und 2 GewStG nicht vollständig mit vortragsfähigen Verlusten mit der Folge der Definitivbesteuerung verrechnet werden kann. Im Übrigen folgt die Möglichkeit der Definitivbesteuerung aus dem Charakter der GewSt als Objektsteuer mit der Folge einer entsprechenden Einschränkung des objektiven Nettoprinzips.

 

Rz. 27c

Auch der I. Senat des BFH[8] vertritt die Auffassung, dass die Mindestbesteuerung nach § 10a S. 1 und 2 GewStG in ihrer Grundkonzeption i. S. einer zeitlichen Streckung des Verlustvortrags ungeachtet dadurch ausgelöster Zins- und Liquiditätsnachteile mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Art. 3 Abs. 1 GG wird aber verletzt, wenn z. B. die Mindestbesteuerung auf der Grundlage eines inneren Sachzusammenhangs zwischen Verlust und Gewinn – z. B. Verlust aufgrund Teilwertabschreibung und Gewinn aufgrund Teilwertzuschreibung – im konkreten Einzelfall bewirkt, dass der Verlustabzug mit der Folge einer leistungsfähigkeitswidrigen Substanzbesteuerung gänzlich ausgeschlossen wird. Die sich daraus ergebende Definitivbesteuerung verletzt den Kernbereich einer Netto...

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