Leitsatz

Die Steuerbefreiung von Forschungsstipendien nach § 3 Nr. 44 EStG umfasst sowohl die der Erfüllung der Forschungsaufgaben (Sachbeihilfen) als auch die der Bestreitung des Lebensunterhalts dienenden Zuwendungen (gegen R 6 Abs. 1 Satz 1 zu § 3 Nr. 44 EStR 1993, R 6 Satz 1 zu § 3 Nr. 44 EStR 2001).

 

Normenkette

§ 3 Nr. 44 EStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin erzielte als Germanistin in geringem Umfang Einkünfte aus freiberuflicher wissenschaftlicher Tätigkeit. Im Rahmen eines Förderprogramms des Berliner Senats erhielt sie außerdem ein Stipendium zur Erstellung einer wissenschaftlichen Studie. Das Stipendium setzte sich im Streitjahr 1995 aus einer Sachmittelpauschale von 1.800 DM und einem Betrag zur Bestreitung des Lebensunterhalts von 21.100 DM zusammen.

Das FA behandelte nur die Sachmittelpauschale als steuerfrei und erfasste den Hauptbetrag des Stipendiums nach Abzug einer Betriebsausgabenpauschale als Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit.

 

Entscheidung

Mit der Klage machte die Germanistin erfolgreich geltend, das gesamte Stipendium sei nach § 3 Nr. 44 EStG steuerfrei. Der BFH stimmte dieser Ansicht zu und wies die Revision des FA zurück.

 

Hinweis

1.Zuschüsse und Beihilfen der öffentlichen Hand können ihren Zweck in der Regel nur dann erfüllen, wenn sie dem Empfänger ungeschmälert zur Verfügung stehen. Würden die Fördergelder der ESt unterworfen, könnte der Geförderte das Ziel der geförderten Betätigung wegen nicht ausreichender finanzieller Ausstattung oft nicht erreichen. Die Förderung ginge ins Leere. Diesem Effekt beugen Steuerfreistellungen in § 3 EStG vor.

2. Im Besprechungsfall ging es um eine Steuerbefreiung von Stipendien zur Förderung des wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchses. Nach § 3 Nr. 44 EStG sind solche Stipendien steuerfrei, wenn sie unmittelbar aus öffentlichen Mitteln oder von supranationalen Einrichtungen stammen und zur Förderung der Forschung oder zur Förderung der wissenschaftlichen oder künstlerischen Ausbildung oder Fortbildung gewährt werden.

Das FA stellte sich auf den von R 6 EStR zu § 3 Nr. 44 EStG vorgegebenen Standpunkt, die Steuerfreiheit eines Forschungsstipendiums erstrecke sich nur auf Sachmittel, nicht aber auf den Teil des Stipendiums, der zur Bestreitung des Lebensunterhalts diene. Anders sieht das die Verwaltung für Ausbildungsstipendien, die insgesamt als steuerfrei angesehen werden. Die unterschiedliche Behandlung folgt aus einer grammatisch mehrdeutigen Formulierung des Gesetzes. Dort heißt es nämlich, Voraussetzung für die Steuerfreiheit sei, dass das Stipendium einen "für die Erfüllung der Forschungsaufgabe oder für die Bestreitung des Lebensunterhalts und die Deckung des Ausbildungsbedarfs erforderlichen Betrag" nicht übersteige. Der BFH hat sich für eine den Geförderten günstigere Auslegung entschieden und bezieht den Satzteil nach dem "oder" auch auf die Forschungsstipendien.

3. Beachten Sie, dass Forschungsstipendien auch unter die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 11 EStG fallen können. Die dortigen Voraussetzungen sind aber ungünstiger für den Stipendiaten. Diese Steuerbefreiung betrifft Bezüge, die zu dem Zweck gewährt werden, die Erziehung, Ausbildung, Wissenschaft oder Kunst unmittelbar zu fördern. Daraus entnimmt die h.M., dass Mittel zum Lebensunterhalt zwar bei Erziehungs- und Ausbildungsbeihilfen begünstigt sind, nicht aber bei Beihilfen zur Förderung der Wissenschaft oder Kunst. Dies leitet man aus dem Merkmal der Unmittelbarkeit ab.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 20.3.2003, IV R 15/01

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge