Leitsatz

1. Eine Satzung genügt nur dann dem Grundsatz der satzungsmäßigen Vermögensbindung (§§ 61 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 4 AO), wenn sie auch eine ausdrückliche Regelung für den Wegfall des bisherigen Zwecks der Körperschaft enthält.

2. Vertrauensschutzgesichtspunkte sind im Verfahren der erstmaligen negativen Feststellung nach § 60a Abs. 1 AO nicht zu berücksichtigen.

3. Gegenstand des Feststellungsverfahrens nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AO ist nur eine bestimmte Satzung, wenn diese in dem Feststellungsbescheid ausdrücklich erwähnt ist.

 

Normenkette

§ 60a Abs. 1, § 61 Abs. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO

 

Sachverhalt

Im Juni 2015 beanstandete das FA den Gesellschaftsvertrag der Klägerin in seiner Neufassung vom xx.xx.2015 und schlug dieser Änderungen vor. Mit Bescheid vom 9.12.2016 lehnte das FA die Feststellung der Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach § 60a Abs. 1 AO ab, weil die Klägerin mit ihrer "Satzung in der Fassung vom xx.xx.2015" die satzungsmäßigen Voraussetzungen nach den §§ 51, 59, 60 und 61 AO nicht erfülle.

Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein, den das FA zurückwies. Demgegenüber hatte die Klage zum FG Erfolg (Hessisches FG, Urteil vom 26.2.2020, 4 K 594/18, Haufe-Index 13792248, EFG 2020, 902).

 

Entscheidung

Der BFH hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und wies die Klage ab. Der Gesellschaftsvertrag i. d. F. vom xx.xx.2015 genügte nicht den Anforderungen an die satzungsmäßige Vermögensbindung (§ 61 Abs. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO), da im Gesellschaftsvertrag ausdrückliche Bestimmungen der Vermögensbindung für den Wegfall des bisherigen Zwecks der Klägerin fehlten. Die Gewährung von Vertrauensschutz kam nicht in Betracht, da das FA einen erstmaligen Feststellungsbescheid nach § 60a Abs. 1 AO erlassen hatte.

 

Hinweis

1. Die Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach den §§ 51, 59, 60 und 61 wird gemäß § 60a Abs. 1 Satz 1 AO gesondert festgestellt. Dies erfolgt auf Antrag oder von Amts wegen (§ 60a Abs. 2 AO).

2. Liegt eine derartige Feststellung vor,

  • entfällt ihre Bindungswirkung ab dem Zeitpunkt, in dem die Rechtsvorschriften, auf denen die Feststellung beruht, aufgehoben oder geändert werden (§ 60a Abs. 3 AO),
  • ist sie, wenn bei den für die Feststellung erheblichen Verhältnissen eine Änderung eintritt, mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben (§ 60a Abs. 4 AO) und
  • können materielle Fehler mit Wirkung ab dem Kalenderjahr beseitigt werden, das auf die Bekanntgabe der Aufhebung der Feststellung folgt (§ 60a Abs. 5 Satz 1 AO).

3. Diese Regelungen sind auf den erstmaligen Erlass eines negativen Feststellungsbescheids nicht anwendbar, da sie einen bereits erlassenen Feststellungsbescheid nach § 60a Abs. 1 AO voraussetzen.

Mangels planwidriger Regelungslücke kommt auch keine analoge Anwendung in Betracht. Der BFH begründet dies damit, dass der Erlass eines erstmaligen negativen Feststellungsbescheids nach § 60a Abs. 1 AO dem früheren Verfahren bei erstmaliger Versagung der Steuerbegünstigung im Veranlagungsverfahren vergleichbar ist, wobei es auch damals nach der BFH-Rechtsprechung keinen Vertrauensschutz gab.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 26.8.2021 – V R 11/20

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