OFD Karlsruhe, 1.6.2010, S 0353/1

 

1. Allgemeines

Grundlagenbescheide i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO sind Feststellungsbescheide, Steuermessbescheide oder sonstige für eine Steuerfestsetzung bindende Verwaltungsakte (§ 171 Abs. 10).

Auch Verwaltungsakte von Behörden, die keine Finanzbehörden sind, können Grundlagenbescheide sein, wie z.B.

Die außersteuerlichen Grundlagenbescheide sind auch dann bindend, wenn sie aufgrund der für sie maßgeblichen Verfahrensvorschriften nach Ablauf der für steuerliche Grundlagenbescheide geltenden Feststellungsfrist ergehen.

 

2. Anpassung des Folgebescheids an den Grundlagenbescheid

2.1 Der Folgebescheid ist – bei Beachtung der Festsetzungsfrist (vgl. AEAO zu § 171, Nr. 6) – im Wege der Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO an den Grundlagenbescheid anzupassen, wenn er die mit dem Grundlagenbescheid getroffene Feststellung nicht oder unzutreffend berücksichtigt. Dies gilt auch dann, wenn

2.1.1 der Grundlagenbescheid erst nach Erlass des Folgebescheides ergangen ist (vgl. §§ 155 Abs. 2, 162 Abs. 5 AO), 2.1.2 der Grundlagenbescheid bei Erlass des Folgebescheides übersehen wurde (BFH-Urteile vom 9.8.1983, BStBl 1984 II S. 86, und vom 6.11.1985, BStBl 1986 II S. 168), 2.1.3 der Grundlagenbescheid bei Erlass des Folgebescheides bereits vorlag, die im Grundlagenbescheid getroffenen Feststellungen aber fehlerhaft berücksichtigt worden sind (BFH-Urteile vom 14.4.1988, BStBl 1988 II S. 711, vom 4.9.1996, BStBl 1997 II S. 261, und vom 10.6.1999, BStBl 1999 II S. 545).

2.2 Das Übersehen eines Grundlagenbescheides (bzw. der Mitteilung über die getroffenen Feststellungen) ist eine offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 129 AO, wenn das FA beim Erlass eines Folgebescheids einen bei ihm bereits vorliegenden Grundlagenbescheid nur versehentlich nicht beachtet hat (BFH-Urteil vom 16.7.2003, BStBl 2003 II S. 867). Ist wegen Ablaufs der 2-Jahresfrist des § 171 Abs. 10 AO eine Anpassung des Folgebescheides an den Grundlagenbescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO nicht mehr zulässig, kann somit die Berichtigungsvorschrift des § 129 AO (mit der Folge einer Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 2 AO) dazu herangezogen werden, den Folgebescheid noch zu korrigieren.

2.3 Sind die Voraussetzungen für eine Steuervergünstigung durch einen Grundlagenbescheid nachzuweisen, so steht der Änderung des Folgebescheides nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO nicht entgegen, dass der Steuerpflichtige den für die Steuervergünstigung erforderlichen, aber nicht fristgebundenen Antrag erst nach Unanfechtbarkeit des Steuerbescheids gestellt hat (BFH-Urteil vom 13.12.1985, BStBl 1986 II S. 245).

2.4 Die Auswertung von Mitteilungen über gesondert festgestellte Besteuerungsgrundlagen ist von den für die Folgebescheide zuständigen Finanzämtern grundsätzlich unverzüglich vorzunehmen. Ist zu erwarten, dass eine Anpassung an mehrere Grundlagenbescheide erforderlich werden wird, kann es aus arbeitsökonomischen Gründen sinnvoll sein, Mitteilungen mit steuerlich nicht erheblichen Auswirkungen zurückzustellen und zur gemeinsamen Auswertung zu sammeln. In diesen Fällen ist jedoch durch geeignete Überwachungsmaßnahmen sicherzustellen, dass die Mitteilungen noch innerhalb der Festsetzungsfrist (vgl. AEAO zu § 171, Nr. 6) ausgewertet werden.

 

3. Negativer Feststellungsbescheid

Wird eine gesonderte Feststellung durch sog. negativen Feststellungsbescheid abgelehnt, liegt ebenfalls ein Grundlagenbescheid vor, der für den Folgebescheid bindend ist (BFH-Urteil vom 21.6.1989, BStBl 1989 II S. 881). Der Bindungswirkung ist ggf. durch Änderung des Folgebescheids nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO Rechnung zu tragen (BFH-Urteile vom 25.6.1991, BStBl 1991 II S. 821, und vom 24.3.1998, BStBl 1998 II S. 601).

 

4. Beschränkung und Erweiterung des Gegenstands der Feststellung

Der Tatbestand des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist auch gegeben, wenn einzelne Besteuerungsgrundlagen aus dem Feststellungsverfahren ausgeschieden oder in das Feststellungsverfahren aufgenommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 14.7.1993, BStBl 1994 II S. 77). Im ersten Fall hat das für den Erlass des Folgebescheides zuständige FA den nicht oder nicht mehr in das Feststellungsverfahren einbezogenen Sachverhalt eigenständig zu ermitteln und zu werten, ohne an frühere Beurteilungen gebunden zu sein (BFH-Urteile vom 11.4.1990, BFH/NV 1991 S. 143, und vom 7.12.1993, BFH/NV 1994 S. 547, und BFH-Beschluss vom 8.9.1998, BFH/NV 1999 S. 157). Im zweiten Fall sind die in den Grundlagenbescheid aufgenommenen Besteuerungsgrundlagen beim Folgebescheid entsprechend ihrem Ansatz im Grundlagenbescheid zu berücksichtigen.

 

5. Änderung des Einkommensteuerbescheids zur zutreffenden Berücksichtigung des Behinderten- oder Pflege-Pauschbetrags

5.1 Die Feststellung eines Versorgungsamtes über das Vorliegen und den Grad einer Behinderung ist ein Grundlagenbes...

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