Rz. 36

[Autor/Stand] Gebot der Nichteinmischung. § 15 hat in hohem Maße extraterritoriale Wirkung, da er selbst solche Einkünfte der Besteuerung unterwirft, die weder hinsichtlich der Person, die sie erzielt, noch der Quelle, aus der sie gespeist werden, einen Bezug zum Inland aufweisen. Gleiches gilt für das Stiftungsvermögen. Damit ist das völkerrechtliche Gebot der Nichteinmischung angesprochen, welches als Regel des Völkergewohnheitsrechts[2] Vorrang vor einfachem Bundesrecht genießt (Art. 25 GG). Dieses Gebot gilt nach wohl allgemeiner Auffassung auch für das materielle Steuerrecht, wenngleich insoweit deutliche Unsicherheit über seinen konkreten Inhalt besteht.[3] Es ist allerdings nicht schon deshalb gewahrt, weil die ausländische Stiftung formal nicht selbst Schuldner von KSt und VSt ist. Die Funktion des Nichteinmischungsgebots, Souveränitäts- und Kompetenzsphären zwischen Völkerrechtssubjekten abzugrenzen,[4] verlangt eine materielle Betrachtung des zu regelnden Sachverhalts. Andernfalls verkommt die Regelungstechnik zum bloßen legislatorischen Kunstgriff. Sie kann völkerrechtlich nur bestehen, wenn die Zurechnung selbst, nicht nur der Zurechnungsadressat, ein "genuine link" zur deutschen Steuerhoheit aufweisen. Dazu muss man anerkennen, dass die ausländische Familienstiftung geeignet ist inländische ESt, ErbSt und, soweit erhoben, auch VSt zu vermeiden (vgl. Rz. 21). Eine Gegenmaßnahme des Gesetzgebers wie § 15 ist daher nicht von vornherein illegitim. Als übergriffig und gegen das Gebot der Nichteinmischung verstoßend erscheint sie aber dort, wo eine Vermeidung deutscher Steuer bei Errichtung der Stiftung nicht erkennbar ist. Dies ist insbesondere dort der Fall, wo zur Zeit der Errichtung jeglicher genuine link zur deutschen Steuerhoheit fehlte, weil weder der Stifter Steuerinländer noch das Vermögen Inlandsvermögen war (vgl. näher nachstehend Rz. 37).

 

Rz. 37

[Autor/Stand] Vereinbarkeit des § 15 mit anerkannten Grundsätzen des internationalen Steuerrechts. Im Schrifttum wurde sehr früh die Frage aufgeworfen, ob § 15 mit "anerkannten Grundsätzen des internationalen Steuerrechts" vereinbar sei, weil die Bestimmung angeblich die rechtliche Selbständigkeit der Familienstiftung als selbständiges ausländisches Steuersubjekt verneint. Dazu führt H. Vogel[6] aus:

„Die Nichtanerkennung der rechtlichen Selbständigkeit ausländischer Steuersubjekte ist vom Standpunkt des internationalen Steuerrechts nicht unbedenklich, weil sie zu einer Rechtsunsicherheit führen muß, schon wenn eine verhältnismäßig geringe Zahl von Staaten auf diese Methode übergehen würde. ... Wenn überhaupt über die bestehenden Vorschriften hinaus oder in Abänderung dieser Vorschriften Maßnahmen ergriffen werden müssen, dann können sie sich nur gegen Mißbräuche richten, die reine steuerliche Manipulationen darstellen ...

Den Weg der Nichtanerkennung eines ausländischen Rechtssubjekts geht auch § 12 StAnpG. Hiernach werden Vermögen und Einkommen einer ausländischen Familienstiftung, die von einem unbeschränkt Steuerpflichtigen errichtet worden ist, dem Errichter der Stiftung, solange er unbeschränkt steuerpflichtig ist, und sonst dem Bezugsberechtigten zugerechnet. Dabei ist es einerlei, ob die Familienstiftung ihr Einkommen ausschüttet oder nicht. Hat ein Unternehmen, eine Körperschaft oder eine Personenvereinigung eine ausländische Stiftung errichtet, so wird die Stiftung wie eine Familienstiftung behandelt, wenn der Stifter, seine Gesellschafter, leitenden Angestellten und die Angehörigen dieser Personen zu mehr als der Hälfte bezugsberechtigt sind.”

Diese Überlegungen gehen am Kern des Problems vorbei. § 15 negiert nicht die Rechtssubjektqualität der ausländischen Familienstiftung. Vielmehr anerkennt er diese mittelbar dadurch, dass die Familienstiftung als die Person angesehen wird, die jedenfalls den Tatbestand der Einkünfteerzielung verwirklicht (vgl. Rz. 77, 103, 111 f.).[7] Lediglich die Besteuerungsfolgen sollen zusätzlich bei bestimmten Steuerinländern einsetzen. Dadurch häufen sich Doppelbesteuerungsrisiken, was aber die Grundsätze des internationalen Steuerrechts nicht verletzt. Diese enthalten nämlich kein an die Staaten gerichtetes Gebot, ihr nationales Steuerrecht in der Weise auszugestalten, dass Doppelbesteuerungskonflikte vermieden werden.[8] Selbst wenn man einen Verstoß annähme, begründete dies für den einzelnen Steuerpflichtigen kein subjektiv formelles Recht auf eine diesen Grundsätzen entsprechende Besteuerung. Die völkerrechtlichen Grundsätze des internationalen Steuerrechts richten sich in erster Linie an die Völkerrechtssubjekte, ohne gleichzeitig gegenüber Einzelpersonen verbindlich zu sein. Unmittelbare Rechte und Pflichten können für den Einzelnen nur insoweit angenommen werden, als die Grundsätze des internationalen Steuerrechts Eingang in die DBA gefunden haben. Die Problematik verlagert sich damit auf die Auslegung des jeweiligen DBA.

 

Rz. 38

[Autor/Stand] Vereinbarkeit mit DBA. Problem der Einkünftezurechnung. Di...

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