Rz. 72

Kapitalgesellschaften können Zuwendungen selbst ausführen und empfangen. Dass namentlich bei Leistungen eines Gesellschafters in das Vermögen einer GmbH auch ein schenkungsteuerrechtlich relevanter Vermögenstransfer an die Gesellschaft stattfindet, steht sowohl zivil- als auch schenkungsteuerrechtlich außer Frage. Allerdings führt auch die sog. disquotale Einlage in die Kapitalrücklage einer Kapitalgesellschaft außerhalb der Gründung oder Kapitalerhöhung zu keiner freigebigen Zuwendung an die Kapitalgesellschaft, weil es an der objektiven Unentgeltlichkeit der Zuwendung im Verhältnis zur Kapitalgesellschaft fehlt.[1]

 

Rz. 73

In Betracht kommt eine freigebige Zuwendung an die Mitgesellschafter, doch setzt dies einen geeigneten Zuwendungsgegenstand voraus. Fehlt es an der Übertragung eines Zuwendungsgegenstands an den Mitgesellschafter, liegt keine freigebige Zuwendung vor. Die schlichte Werterhöhung im Vermögen des Mitgesellschafters, die sich als "Reflexwirkung" aus der Disposition eines anderen ergibt, reicht nach der Rspr. des BFH nicht aus. Dies zeigt sich am Beispiel der sog. disquotalen Einlage in das Gesellschaftsvermögen einer Kapitalgesellschaft. Nicht anders hat der BFH in der Rev.[2] gegen das Urteil des FG Baden-Württemberg[3] entschieden. Auf der dogmatischen Linie des BFH ging bereits das FG davon aus, dass der Verzicht auf ein Mehrheitsstimmrecht eines GmbH-Gesellschafters keine freigebige Zuwendung zugunsten der Mitgesellschafter darstellt, weil dafür nicht ausreichend ist, dass deren Geschäftsanteile dadurch eine Werterhöhung erfahren (was der BFH überdies ablehnt). Abzuwarten bleibt, ob eine entsprechende Satzungsänderung eine "Leistung" an die Kapitalgesellschaft i. S. d. § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG darstellt.[4]

 
Praxis-Beispiel

Der Vater hat seinem Sohn bereits seit Längerem im Wege der vorweggenommenen Erbfolge Anteile an der X-GmbH übertragen. Da die GmbH eine größere Investition tätigen möchte, zahlt der Vater allein einen bestimmten Betrag in die Kapitalrücklage[5] ein. Da nach Ansicht des BFH die freigebige Zuwendung einen "Substanzübergang" in Form eines Zuwendungsgegenstands voraussetzt, geht er davon aus, dass in Fällen der disquotalen Einlage eine Schenkung zwischen den Gesellschaftern grundsätzlich nicht in Betracht kommt.[6] Die FinVerw hat sich dieser Sichtweise angeschlossen. In Tz. 2.1.1. der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 20.4.2018[7] folgt die FinVerw der wiederholt seitens des BFH[8] bestätigten Sichtweise, dass keine steuerbare Zuwendung vorliegt, wenn ein Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft im Wege einer verdeckten Einlage einen Vermögenswert der Gesellschaft zuführt und sich infolge dieses Vermögenszugangs der gemeine Wert sämtlicher Anteile an der Kapitalgesellschaft erhöht. Einschränkend führt die FinVerw allerdings aus, dass im Fall einer in zeitlichem Zusammenhang mit der verdeckten Einlage erfolgenden offenen oder verdeckten Ausschüttung der ausgeschüttete Betrag Gegenstand einer Zuwendung des Einlegenden an die Ausschüttungsbegünstigten i. S. einer Weiterleitung des eingelegten Vermögens an den jeweiligen Beschenkten sein könne. Soweit diese Formulierung als deklaratorischer Hinweis auf § 42 AO gemeint ist, begegnet sie keinen Bedenken. Der zeitliche Zusammenhang wäre lediglich als Indiz bei der Würdigung des § 42 AO einzuordnen, wobei es dann hilfreich gewesen wäre, diesen Zeitraum zu konkretisieren. Es steht allerdings zu befürchten, dass die FinVerw künftig bei jeglicher offener oder verdeckter Ausschüttung, die sich in der zeitlichen Nähe zur verdeckten Einlage findet, eine freigebige Zuwendung zu konstruieren versucht. Jedenfalls dann, wenn handelsrechtlich ein Gewinnvortrag oder offene Gewinnrücklagen vorhanden sind, ginge dies zu weit. Umgekehrt liegt ein Gestaltungsmissbrauch nahe, wenn über den Umweg über die Kapitalgesellschaft erst eine Kapitalrücklage i. S. d. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB gebildet, diese dann aber zeitnah wieder aufgelöst und an die Gesellschafter ausgeschüttet wird. Die Steuerbarkeit der verdeckten Einlage wird durch den durch das BeitrRLUmsG[9] eingeführten § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG sichergestellt.[10] Hauptzielrichtung der Neuregelung in § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG ist die als "gleichheitswidrig" angesehene Rspr. des BFH zu sog. disquotalen bzw. disproportionalen Einlagen in Kapitalgesellschaften zu beseitigen. Im Ergebnis hält der BFH den Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 ErbStG weder im Verhältnis zur Kapitalgesellschaft noch im Verhältnis zum begünstigten Mitgesellschafter für einschlägig.

 

Rz. 74

Demgegenüber kann die Kapitalerhöhung gegen Einlagen (sog. effektive Kapitalerhöhung) schenkungsteuerrechtlich im Verhältnis zum Mitgesellschafter relevant sein. Bei der effektiven Kapitalerhöhung sind neue Einlagen aufzubringen, in deren Höhe weitere Gesellschaftsanteile entstehen. Die Erhöhung des Kapitals erfordert einen Beschluss mit qualifizierter Mehrheit. Neben dem Kapitalerhöhungsbeschluss bedarf es eines Be...

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