Rz. 30

Nach dem Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden "jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird". Der Zuwendungstatbestand ist erfüllt[1], wenn die Zuwendung i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ausgeführt ist. Die Schenkung i. S. d. Bürgerlichen Rechts ist der Hauptanwendungsfall der freigebigen Zuwendung, doch geht der Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG über den zivilrechtlichen Begriff der Schenkung hinaus.[2] Nach allgemeinem dogmatischem Verständnis wird der Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG in einen objektiven Zuwendungstatbestand und einen subjektiven Zuwendungstatbestand untergliedert.

 

Rz. 31

Der objektive Zuwendungstatbestand ist erfüllt, wenn ein rechtsgeschäftliches oder tatsächliches Handeln (Tun oder Unterlassen) des Zuwendenden (Schenkers) zu einer Minderung seines Vermögens (Entreicherung) führt, darauf beruhend beim Zuwendungsempfänger (Beschenkten) eine endgültige Vermögensmehrung (Bereicherung) eintritt und dem Vermögenstransfer kein äquivalenter Vermögensabfluss i. S. einer objektiven Unentgeltlichkeit gegenübersteht.[3] Bei der Prüfung, wer als Zuwendender an einer freigebigen Zuwendung beteiligt ist, kommt es nach der st. Rspr. des BFH auf die Zivilrechtslage an. Hat ein Erblasser ein bindendes Angebot abgegeben, das trotz des Ablebens des Erklärenden gem. § 130 Abs. 2, § 153 BGB seine Wirkung behält, so tritt grundsätzlich der Erbe in die Bindung ein, mit der Folge, dass ein solches Angebot vom Empfänger – als Zuwendung/Schenkung des Erblassers – noch angenommen werden kann. Wird ein entsprechendes Angebot bzw. Schenkungsversprechen jedoch vom Erben des versprechenden Erblassers nach Eintritt des Erbfalls dem Inhalt nach wesentlich geändert, liegt ein neues Angebot des Erben/Gesamtrechtsnachfolgers vor. Dessen Annahme führt mithin zu einer freigebigen Zuwendung des Erben/Gesamtrechtsnachfolgers an den Bedachten.[4] Nach der Zivilrechtslage ist des Weiteren zu beurteilen, wer Bedachter ist; unerheblich ist, wem nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise Vermögen oder Einkommen zuzurechnen ist; denn die Schenkungsteuer ist Verkehrsteuer.[5] Bei einer Vermögensübertragung auf eine rechtsfähige Stiftung kann deshalb keine freigebige Zuwendung an den Begünstigten vorliegen. Ebenso beurteilt sich auch die Bereicherung nach der Zivilrechtslage und nicht danach, wem nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise das übertragene Vermögen zuzurechnen ist.[6] Deshalb kann es für die Zuwendung eines Vermögensgegenstands auch nicht genügen, dass dieser nur dem Wert nach in eine Personengesellschaft eingebracht wird und dadurch das wirtschaftliche Eigentum auf die Gesamtheit übergeht.[7] Zwar muss der Gegenstand der Vermögenshingabe (Entreicherung) beim Zuwendenden nicht mit dem Gegenstand der Vermögensmehrung (Bereicherung) beim Zuwendungsempfänger identisch sein, doch muss ein Zuwendungsgegenstand vorhanden sein, der in das Vermögen des Zuwendungsempfängers gelangt und dort die Bereicherung verkörpert. Es ist also die Übertragung von Vermögenssubstanz an den Zuwendungsempfänger erforderlich; das Erbringen eigener Arbeitsleistungen oder die bloße Werterhöhung im Vermögen des Beschenkten genügt nicht.[8] Der objektive Zuwendungstatbestand ist z. B. dann nicht erfüllt, wenn der Empfänger durch die Zuwendung nur das erhält, worauf er bereits einen Rechtsanspruch (mit Ausnahme eines wirksamen Schenkungsversprechens) hat. Hier liegt keine Vermögensmehrung, sondern eine Vermögensumschichtung vor.

 

Rz. 32

Der subjektive Zuwendungstatbestand wird aus dem Tatbestandsmerkmal "freigebige" Zuwendung sowie aus der Verbindung zum zivilrechtlichen Schenkungsbegriff abgeleitet.[9] Er erfordert zumindest, dass die Zuwendung nach dem Willen des Zuwendenden unentgeltlich erfolgen soll (Wille zur Unentgeltlichkeit).[10] Dabei wird der Wille zur Unentgeltlichkeit dahingehend objektiviert, dass es für das Vorliegen einer Zuwendung ausreichen soll, wenn der Schenker die Umstände kennt, aufgrund derer eine Zuwendung als objektiv unentgeltlich qualifiziert werden könne.[11] Zum Teil wird darüber hinausgehend beim Zuwendenden der Wille zur Bereicherung des Empfängers (Bereicherungswille) und der Wille zur schenkweisen Zuwendung gefordert, der namentlich in familienrechtlichen, gesellschaftsrechtlichen und allgemein geschäftlichen Beziehungen fehlen kann.[12]

 

Rz. 33

Der subjektive Zuwendungstatbestand ist nicht erfüllt, wenn der Zuwendende irrig glaubt, er sei zur Leistung rechtlich verpflichtet oder wenn er irrtümlich die Gewährung einer Gegenleistung annimmt.[13] Ebenso fehlt es am Willen zur Unentgeltlichkeit, wenn sich der Schenker bei der gemischten Schenkung über den Wert der Gegenleistung irrt. Allerdings will hier der BFH den subjektiven Zuwendungstatbestand schon dann als begründet ansehen, wenn der Zuwendende grundsätzlich vom objektiven Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung Kenntnis besaß.[14]

 

Rz. ...

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