Rz. 7

Nach der Systematik des ErbStG verwirklichen sowohl der Vorerbe als auch der Nacherbe zeitlich aufeinanderfolgend durch den jeweiligen Erbanfall einen Erwerb von Todes wegen i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.[1] In der Konsequenz unterliegen beide Erwerbe für sich der Erbschaftsbesteuerung, was nicht nur zu einer getrennten Beurteilung der Vor- und der Nacherbschaft zwingt, sondern gleichzeitig einen 2-fachen steuerlichen Zugriff auf das Vermögen des Erblassers bedingt, das als Sondervermögen der angeordneten Vor- und Nacherbfolge unterliegt.[2]

 

Rz. 8

In Ergänzung zu diesem allgemeinen Besteuerungsgrundsatz stellt § 6 Abs. 1 ErbStG zunächst klar, dass der Vorerbe ungeachtet der gleichzeitig angeordneten Nacherbschaft als Erbe gilt.[3] Im Hinblick auf die Besteuerung des Nacherben normiert § 6 Abs. 2 S. 1 ErbStG den Grundsatz, wonach der Nacherbe mit Eintritt der Nacherbfolge den Erwerb als vom Vorerben stammend zu versteuern hat (Rz. 25 ff.). Abweichend von diesem Grundsatz ist nach § 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG auf Antrag des Nacherben der Besteuerung das Verhältnis zum Erblasser zugrunde zu legen, was insoweit einen dogmatischen Gleichlauf zu den erbrechtlichen Regelungen zur Vor- und Nacherbschaft herstellt (Rz. 29 ff.). In diesem Zusammenhang enthält § 6 Abs. 2 S. 3–5 ErbStG einige klarstellende Regelungen für den praxisrelevanten Fall, dass mit Eintritt des Nacherbfalls neben dem der angeordneten Vor- und Nacherbfolge unterliegenden Sondervermögen des (ursprünglichen) Erblassers auch eigenes – sog. freies – Vermögen des Vorerben auf den Nacherben übergeht (Rz. 32 ff.).

 

Rz. 9

§ 6 Abs. 3 ErbStG regelt demgegenüber den Fall, in dem die Nacherbfolge nicht erst durch den Tod des Vorerben, sondern bereits zu einem früheren Zeitpunkt eintritt, und qualifiziert die Vorerbfolge als auflösend bedingten und die Nacherbfolge als aufschiebend bedingten Erbanfall (Rz. 36 ff.). Dem vorzeitigen Verlust der Erbschaft in der Person des Vorerben wird unter dem Gesichtspunkt der steuerlichen Erfassung der Bereicherung des Erwerbers nach dem Bereicherungsprinzip[4] jedoch nicht dadurch Rechnung getragen, dass die Steuerfestsetzung gegenüber dem Vorerben rückwirkend korrigiert wird, was im Hinblick auf den nunmehr lediglich auflösend bedingten Erwerb des Vorerben gem. § 6 Abs. 3 S. 1 ErbStG eine konsequente Lösung wäre. Nach § 6 Abs. 3 S. 2 ErbStG führt der vorzeitige Eintritt der Nacherbfolge hingegen zu einer reduzierten steuerlichen Belastung des Nacherben, indem dem Vorerben die von ihm für den Vorerbfall gezahlte Erbschaftsteuer nicht – auch nicht teilweise – erstattet, sondern diese vielmehr auf die Erbschaftsteuer des Nacherben angerechnet wird.[5]

 

Rz. 10

Nach der Neufassung des § 6 Abs. 4 ErbStG im Zuge der Reform des ErbStG mit Wirkung zum 1.1.2009 stehen nicht nur Nachvermächtnisse i. S. d. § 2191 BGB und beim Tod des Beschwerten fällige Vermächtnisse i. S. d. § 1939 BGB Nacherbschaften gleich. Entsprechendes gilt auch für die beim Tod des Beschwerten fälligen Auflagen i. S. d. § 1940 BGB (Rz. 42 ff.).

[1] § 3 ErbStG Rz. 112; krit. Löcherbach, in V/S/W, ErbStG, 2023, § 6 Rz. 9.
[2] BFH v. 21.12.2000, II B 18/00, BFH/NV 2001, 798; Gottschalk, in T/G/J/G, ErbStG, § 6 Rz. 2; zu Vermeidungsstrategien Rz. 16 f.; Jülicher, ZEV 2003, 350.
[4] Einf. Rz. 4, 7; H.-U. Viskorf, in V/S/W, ErbStG, 2023, Einf. Rz. 2.

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