Rz. 1

§ 6 ErbStG entspricht im Wesentlichen der Vorgängerregelung des § 7 Abs. 1–3 ErbStG 1959. Die Vorschrift ergänzt die Tatbestände der steuerpflichtigen Erwerbe von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und normiert für den Fall eines Erwerbs aufgrund einer vom Erblasser angeordneten Vor- und Nacherbfolge[1] bzw. eines Nachvermächtnisses oder eines mit dem Tod des Beschwerten fälligen Vermächtnisses[2] einige besondere Besteuerungsgrundsätze, die teilweise von der zivilrechtlichen Systematik abweichen und nicht gegen die Verfassung verstoßen.[3] Seit der Reform des ErbStG durch das Gesetz vom 24.12.2008[4] mit Wirkung zum 1.1.2009 wurden in die Regelungen zum Nachvermächtnis bzw. den beim Tod des Beschwerten fälligen Vermächtnissen gem. § 6 Abs. 4 ErbStG auch die mit dem Tod des Beschwerten fälligen Auflagen einbezogen.

1.1 Erbrechtliche Grundsätze

 

Rz. 2

Nach den allgemeinen erbrechtlichen Regelungen ist der Erblasser nicht darauf beschränkt, im Wege einer testamentarischen Verfügung den Übergang seines Vermögens auf einen bzw. mehrere Erben für den Fall seines Todes anzuordnen. Nach § 2100 BGB hat der Erblasser zudem die Möglichkeit, bezogen auf sein Vermögen das zeitliche Aufeinanderfolgen verschiedener Erben anzuordnen, indem er einen Erben in der Weise einsetzt, dass dieser als Nacherbe erst Erbe wird, nachdem zumindest ein anderer als Vorerbe Erbe geworden ist.[1] Nach der Regelungstechnik des Erbrechts wird der Vorerbe unter einer auflösenden Bedingung bzw. unter der Bestimmung eines Endzeitpunkts zum Erben eingesetzt, dem die zunächst aufschiebend bedingte oder befristete Erbeinsetzung des Nacherben gegenübersteht.[2] Da der Nacherbe sein gegenüber dem Vorerben zeitlich nachgelagertes Erbrecht unmittelbar vom Erblasser als dessen Erbe und Rechtsnachfolger ableitet[3], bedingt das zeitliche Aufeinanderfolgen verschiedener Erben ein rechtlich selbstständiges Sondervermögen in der Hand des Vorerben, das aus dem vom Erblasser erworbenen und an den Nacherben weiterzugebenden Vermögen besteht.[4]

 

Rz. 3

Mit Eintritt des Vorerbfalls durch den Tod des Erblassers erwirbt zunächst der Vorerbe das Sondervermögen aus der angeordneten Vor- und Nacherbfolge, welches bei ihm bis zum Eintritt des Nacherbfalls seiner Nutzungsbefugnis unterliegt. Gegenüber dem Nacherben, der mit dem Tod des Erblassers (noch) nicht Erbe wird, sondern zunächst lediglich ein Anwartschaftsrecht auf die Nacherbschaft erwirbt, ist der Vorerbe grds. zum Erhalt der Substanz des der Vor- und Nacherbfolge unterliegenden Sondervermögens verpflichtet, obwohl er allein mit dem Eintritt des Vorerbfalls als Rechtsnachfolger des Erblassers Erbe – und damit zugleich Eigentümer – des Nachlasses geworden ist.

 

Rz. 4

Nach § 2112 BGB kann der Vorerbe über die zur Erbschaft gehörenden Gegenstände verfügen, soweit sich aus den Verfügungsbeschränkungen der §§ 2113–2115 BGB als Schutzvorschriften zugunsten des Nacherben nichts Abweichendes ergibt. In diesem Zusammenhang ist z. B. gem. § 2113 Abs. 1 BGB die Verfügung des Vorerben über ein zur Erbschaft gehörendes Grundstück im Fall des Eintritts der Nacherbfolge insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würde. Allerdings kann der Erblasser dem Vorerben einen größeren Verfügungsspielraum einräumen, als er von Gesetzes wegen vorgesehen ist, und ihn als sog. befreiten Vorerben nach § 2136 BGB von bestimmten Verfügungsbeschränkungen freistellen.[5]

 

Rz. 5

Gem. § 2139 BGB fällt dem Nacherben erst mit Eintritt des Ereignisses, das nach der testamentarischen Verfügung des Erblassers den Nacherbfall auslösen soll, die Erbschaft an. Das bis zu diesem Zeitpunkt in der Person des Nacherben bestehende Anwartschaftsrecht erstarkt zum Vollrecht in Form einer echten Erbenstellung und der Nacherbe wird dem entsprechend zum Erben.

 

Rz. 6

Neben der Anordnung einer Vor- und Nacherbfolge kann der Erblasser gem. § 2191 Abs. 1 BGB auch ein Nachvermächtnis anordnen, indem der Erblasser von einem nach dem Anfall des Vermächtnisses eintretenden bestimmten Zeitpunkt oder Ereignis an den vermachten Gegenstand einem Dritten (Nachvermächtnisnehmer) zuwendet. Nach § 2191 Abs. 1 BGB gilt zum einen der ursprüngliche Vermächtnisnehmer (Vorvermächtnisnehmer) als beschwert[6], zum anderen finden auf das Nachvermächtnis nach § 2191 Abs. 2 BGB weitgehend die Vorschriften über die Einsetzung eines Nacherben entsprechende Anwendung. Neben der Anordnung eines Nachvermächtnisses kann der Erblasser schließlich auch anordnen, dass ein Vermächtnis i. S. d. § 1939 BGB bzw. eine Auflage i. S. d. § 1940 BGB erst mit dem Tod eines zuvor Beschwerten fällig sein soll.

[1] Weidlich, in Grüneberg, BGB, 2024, Einf. vor § 2100 Rz. 1.
[2] Zawar, NJW 2007, 2353.
[3] BGH v. 30.10.1951, V BLw 61/50, BGHZ 3, 254.
[4] Weidlich, in Grüneberg, BGB, 2024, § 2100 Rz. 2.
[5] Weidlich, in Grüneberg, BGB, 2024, § 2136 Rz. 2 ff.
[6] Weidlich, in Grüneberg,...

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