Rz. 5

Der Erwerbstatbestand des § 3 ErbStG wird durch die §§ 4, 5 und 6 ErbStG ergänzt. Bei § 4 ErbStG geht es um die erbschaftsteuerrechtliche Behandlung der fortgesetzten Gütergemeinschaften[1] beim Tod eines Ehegatten (§ 4 ErbStG Rz. 10 ff.). § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG regelt für den Fall der Beendigung des Güterstands durch Tod eines Ehegatten einen Freibetrag, der sich an einer fiktiven Ausgleichsforderung orientiert (§ 5 ErbStG Rz. 23 ff.). Schließlich ist § 6 ErbStG ergänzend heranzuziehen, wenn der Erblasser durch Testament oder Erbvertrag einen Vor- und Nacherben eingesetzt hat.

 

Rz. 6

Von besonderer Bedeutung ist der dogmatische Zusammenhang mit dem in § 10 ErbStG geregelten erbschaftsteuerrechtlichen Bereicherungsprinzip. Abweichend von freigebigen Zuwendungen unter Lebenden[2] ist bei letztwilligen Zuwendungen von Todes wegen i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG die Unentgeltlichkeit kein Merkmal des objektiven Steuertatbestands. Deswegen sind in dem Bereich der von § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bezeichneten Vorgänge auch entgeltliche Vermögenszuflüsse steuerpflichtig. Der Erwerb durch Erbanfall oder Vermächtnis ist nicht schon deshalb von der Steuer freigestellt, weil er auf entgeltlicher Grundlage beruht.[3] Anders verhält es sich bei der Schenkung auf den Todesfall nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 ErbStG[4] und bei einem nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG steuerpflichtigen Erwerb durch Vertrag zugunsten Dritter.[5] Während sich die Problematik der Bereicherung in den letztgenannten Fällen und in denjenigen des § 7 ErbStG prinzipiell nicht stellt, weil der Begriff der Bereicherung bereits zu den Voraussetzungen des Rechtsgeschäfts gehört, kommt das Bereicherungsprinzip in den Fällen des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nur mittelbar zur Geltung. Denn nach § 10 Abs. 1 S. 1 ErbStG gilt als steuerpflichtiger Erwerb die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht steuerfrei bleibt. Der im § 10 Abs. 1 ErbStG formulierte Bereicherungsgedanke ist eines der Grundprinzipien des Erbschaftsteuerrechts. Es widerspräche daher dem System der Erbanfallsteuer, im konkreten Fall auf die Bereicherung als Tatbestandsmerkmal zu verzichten und die Feststellung, ob eine Vermögensmehrung des Erwerbers überhaupt stattgefunden hat, in den Bereich der Wertermittlung zu verschieben. Aufgrund des Bereicherungsprinzips ist die Feststellung der Bereicherung schon beim steuerauslösenden Tatbestand erforderlich. Dogmatisch ist das Problem bei § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG bzw. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG anzusiedeln.

 

Rz. 7

Zivilrechtlich kann jede Zuwendung von Todes wegen Gegenstand einer (entgeltlichen) rechtsgeschäftlichen Vereinbarung sein. Dabei wird die privatautonome Gestaltungsfreiheit des Erblassers dadurch eingeschränkt, dass er sich nicht dazu verpflichten kann, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder nicht zu errichten, aufzuheben oder nicht aufzuheben.[6] Den Parteien bleibt es allerdings unbenommen, eine schlichte (kausale) Rechtsgrundabrede zu treffen.[7] Der Begünstigte kann dabei dem Erblasser eine Gegenleistung versprechen, wenn er eine bestimmte Verfügung von Todes wegen trifft, die mit dem Erbfall wirksam werden soll. Diese Rechtsgrundabrede ist eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung unter Lebenden, deren materielle Causa im Hinblick auf die vereinbarte Gegenleistung als entgeltlich einzustufen ist. Nimmt der Erblasser die letztwillige Verfügung nicht wie vereinbart vor, hebt er sie später wieder auf oder entfaltet sie aus sonstigen Gründen im Zeitpunkt des Erbfalls nicht die gewünschte Wirkung, kann der andere Vertragsteil zumindest nach den Regeln der sog. condictio ob rem[8] seine Gegenleistung vom Erblasser (zu dessen Lebzeiten) oder dessen Erben zurückfordern, wenn der mit der Vorleistung bezweckte Erfolg nicht mehr erreicht werden kann. Die Position des Begünstigten kann dadurch verbessert werden, dass die Verfügung von Todes wegen in der Form eines Erbvertrags erfolgt, weil dieser vom Erblasser nicht frei widerrufen werden kann. Nach der gesetzlichen Konzeption enthält der Erbvertrag als solcher kein schuldrechtliches Grundgeschäft. Ebenso werden durch den Erbvertrag weder für den Erblasser noch für den anderen Vertragsteil schuldrechtliche Wirkungen begründet. Trotzdem ist eine Entgeltabrede i. V. m. einem Erbvertrag möglich.

 
Praxis-Beispiel

Der Erbe hatte zu Lebzeiten des Erblassers an diesen als Gegenleistung "für eine vertraglich vereinbarte Erbeinsetzung" Zuwendungen erbracht (Leibrentenbeträge, grundstücksbezogene Zahlungen usw.). Der Erbe möchte die "Gegenleistungen" bereicherungsmindernd geltend machen.[9]

Obwohl bürgerlich-rechtlich zwischen dem Erbvertrag und den "Gegenleistungen" des Bedachten keine synallagmatische Verknüpfung besteht[10], ist zu berücksichtigen, dass es sich dabei um einen rein formalistischen Schluss handelt, der die formale Selbstständigkeit von Erbvertrag und lebzeitiger Verpflichtung auf den sachlichen Vertragsinhalt – entgeltlich oder unentgeltlich – ausdehnt.

Erbschaftsteuerrechtlich wird auch ein "ent...

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