Rz. 35

Im Zuge der Reform des ErbStG durch das Gesetz vom 24.12.2008[1] mit Wirkung zum 1.1.2009 hat der Gesetzgeber die Stundungsmöglichkeit durch die Einführung des § 28 Abs. 3 ErbStG auf den Erwerb von zu Wohnzwecken genutztem Grundvermögen erweitert. Hintergrund der Neuregelung sind die nach der Reform der bewertungsrechtlichen Vorschriften am gemeinen Wert ausgerichteten Wertansätze, die nach Ansicht des Gesetzgebers zur Aufrechterhaltung eines funktionierenden Wohnungsmarktes und zur Abwendung zwangsweiser Notverkäufe entsprechend erworbenen Vermögens zur Begleichung der verwirklichten Steuer eine Zahlungserleichterung in Form einer Steuerstundung erfordern.[2] Die Zahlungserleichterung ist von einem entsprechenden Antrag des Stpfl. abhängig[3], gilt für Erwerbe von Todes wegen und Schenkungen unter Lebenden und kann nach pflichtgemäßem Ermessen des FA für einen Zeitraum von bis zu 10 Jahren gewährt werden.[4] Nach § 28 Abs. 3 S. 5 ErbStG sind die §§ 234, 238 AO anzuwenden und die Stundung wird bei einem Erwerb von Todes wegen zinslos, im Rahmen der übrigen Erwerbe – d. h. einer Schenkung unter Lebenden bzw. einer Ersatzerbschaftsteuer i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG[5] – gegen Verzinsung gem. §§ 234, 238 AO gewährt.[6] Nach der ab 1.7.2016 geltenden Rechtslage wird die Stundung unabhängig von der Art des Erwerbs (Erwerb von Todes wegen, Zuwendung unter Lebenden, Ersatzerbschaftsteuer) im ersten Jahr unverzinslich, ab dem zweiten Jahr nur noch verzinslich mit 0,5 % pro Monat gewährt.[7] Laut BFH bestehen bei einer Niedrigzinsphase ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Zinshöhe vor dem Hintergrund des allgemeinen Gleichheitsgebots gem. Art. 3 Abs. 1 GG und des aus dem Rechtsstaatsprinzip gem. Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Übermaßverbots.[8] Das Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Erwerber und Erblasser bzw. Schenker spielt für eine Stundung nach § 28 Abs. 3 ErbStG keine Rolle.

[1] BGBl I 2008, 3018.
[2] BT-Drs. 16/11107; FG Münster v. 11.3.2021, 3 K 3054/19 AO, EFG 2021, 869; Merker, StuB 2009, 20, 24; Jülicher, in T/G/J/G, ErbStG, § 28 Rz. 13; Kien-Hümbert, in Moench/Weinmann, ErbStG, § 28 Rz. 23.
[3] Rz. 13, 22.
[4] Rz. 14, 23.
[5] Rz. 30.
[6] Rz. 15; Wienbracke, FR 2009, 197, 206; BT-Drs. 19/5595, 91.
[7] Rz. 24, 30.

4.1 Stundungsvoraussetzungen

 

Rz. 36

§ 28 Abs. 3 S. 1 ErbStG gilt in sachlicher Hinsicht nach der bis 30.6.2016 geltenden Rechtslage für den Erwerb begünstigten Vermögens i. S. d. § 13c Abs. 3 ErbStG a. F. bzw. nach der ab 1.7.2016 geltenden Rechtslage für begünstigtes Vermögen i. S. d. § 13d Abs. 3 ErbStG, d. h. für bebaute Grundstücke oder Grundstücksteile, die zu Wohnzwecken vermietet werden, im Inland, einem Mitgliedstaat der EU oder in einem Staat des EWR belegen sind und nicht zum begünstigten Betriebsvermögen oder begünstigten Vermögen eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft i. S. d. § 13a ErbStG gehören.[1] Für Erwerbe mit einer Steuerentstehung vor dem 1.1.2021 führt der Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der EU nicht zu einem Wegfall der Stundung nach § 28 Abs. 3 ErbStG.[2]

 

Rz. 37

Ein Anspruch auf antragsgemäße Stundung besteht darüber hinaus nach § 28 Abs. 3 S. 2 ErbStG, wenn zum Erwerb ein Ein- oder Zweifamilienhaus oder Wohneigentum gehört, das der Erwerber nach dem Erwerb tatsächlich zu eigenen Wohnzwecken nutzt. Die Stundung kann nach dem Wortlaut der Vorschrift nur für ein Grundstück gewährt werden, das zu den genannten Grundstücksarten zählt, womit eine Wohnung auf einem Mietwohn-, Geschäfts- oder gemischt genutzten Grundstück oder auf einem sonstigen bebauten Grundstück nicht begünstigt ist; der Erblasser bzw. Schenker muss das Grundstück vor der Übertragung jedoch nicht zu eigenen Wohnzwecken oder als Familienheim genutzt haben.[3] Unter dem Begriff der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken ist unter Rückgriff auf die Begriffsbestimmung zur steuerfreien Übertragung eines Familienheims gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4a4c ErbStG ein entsprechender Mittelpunkt des familiären Lebens des Erwerbers zu verstehen:[4] Eine Nutzung als Ferien- oder Wochenenddomizil stellt ebenso wenig eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken dar, wie die vollständige oder teilweise Vermietung an Dritte, wobei die unentgeltliche Überlassung einzelner Wohnräume an nahe Verwandte ebenso unschädlich ist, wie die berufliche Nutzung einzelner Räume, solange die Wohnnutzung insgesamt überwiegt. Wegen der Beschränkung auf die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken kann die Stundung gem. § 28 Abs. 3 S. 2 ErbStG nach dem Wortlaut und dem Zweck der Vorschrift auch nur für "ein" – d. h. das anschließend zu eigenen Wohnzwecken genutzte – Objekt in Anspruch genommen werden.[5] Sind im Einzelfall die weitergehenden Regelungen der Steuerbefreiungsvorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 4a4c ErbStG über die begünstigte Übertragung eines Familienheims erfüllt, gehen diese Regelungen als antragsunabhängige und von Amts wegen zu prüfende...

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