Rz. 40

Der Vorerbe wird gem. § 6 Abs. 1 ErbStG als Vollerbe behandelt und ist als solcher nach § 20 Abs. 1 ErbStG Steuerschuldner. Hierzu ordnet § 20 Abs. 4 ErbStG ergänzend an, dass der Vorerbe die durch die Vorerbschaft veranlasste Steuer[1] aus den Mitteln der Vorerbschaft zu entrichten hat und mithin dem Vorerbschaftsvermögen entnehmen darf.[2] Die Besteuerung der Vorerben ohne Berücksichtigung der Beschränkungen durch das Nacherbenrecht ist verfassungsgemäß.[3]

 

Rz. 41

§ 20 Abs. 4 ErbStG stellt auch mit Wirkung für das Bürgerliche Recht klar, dass der Vorerbe die Steuer gem. § 2126 S. 1 BGB aus dem Nachlass entnehmen darf und der Erbe des Vorerben bei Inanspruchnahme nach Eintritt des Nacherbfalls vom Nacherben Freistellung verlangen kann.[4] Im Ergebnis hat der Nacherbe im Innenverhältnis gem. § 20 Abs. 4 ErbStG die durch den Vorerbfall veranlasste Erbschaftsteuer zu tragen.[5] § 20 Abs. 4 ErbStG gilt entsprechend im Verhältnis zwischen Vor- und Nachvermächtnisnehmer.[6] Eine Übertragung dieser Grundsätze auf die Beziehung von Erbe und Erbschaftsnießbraucher kommt angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts und der nicht vergleichbaren Sachverhaltskonstellation nicht in Betracht.[7]

 

Rz. 42

Bewirkt der Vorerbe die Steuer gleichwohl aus seinem Vermögen, so ist ein Nacherbe bei Eintritt der Nacherbfolge dem Vorerben (oder dessen Erben) gem. § 2124 Abs. 2 BGB zum Ersatz verpflichtet. Unterbleibt diese Erstattung, so kann in der Entrichtung der Steuer durch den Vorerben aus seinem eigenen Vermögen ggf. eine eigenständige freigebige Zuwendung an den Nacherben liegen.

 

Rz. 43

Nach dem Eintritt des Nacherbfalls haften der Nacherbe und der Erbe des Vorerben für die durch den Vorerbfall ausgelöste Erbschaftsteuer als Gesamtschuldner i. S. d. § 44 Abs. 1 S. 1 AO. Da der Nacherbe gem. § 20 Abs. 4 ErbStG die Erbschaftsteuerschuld des Vorerben zu tragen hat, ist die Steuer bei pflichtgemäßer Ermessensausübung grundsätzlich gegen den Nacherben festzusetzen. Ausnahmsweise ist die Steuer gegen den Erben des Vorerben festzusetzen, wenn dies zwischen diesem und Nacherben vereinbart worden ist oder der Erbe des Vorerben bei der Herausgabe der Vorerbschaft an den Nacherben die zur Entrichtung der Erbschaftsteuer erforderlichen Mittel gem. § 2130 Abs. 1 BGB zurückbehalten hat oder die Steuerfestsetzung gegen den Nacherben aus rechtlichen oder wirtschaftlichen Gründen keine Aussicht auf Erfolg verspricht.[8]

 

Rz. 44

Dieses für den Nacherben ungünstige Ergebnis wird noch dadurch verschärft, dass er keine eigenständige Einspruchsbefugnis gegen die Steuerfestsetzung gegenüber dem Vorerben hat.[9] Verzichtet der Vorerbe auf die Einlegung eines Einspruchs gegen den Erbschaftsteuerbescheid für den Vorerbfall, obwohl dies den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung entsprochen hätte, könnte der Nacherbe zwar gem. § 2134 S. 2 BGB Schadensersatz verlangen. Dieser zivilrechtliche Anspruch, der überdies auch noch ein Verschulden des Vorerben voraussetzt, bietet jedoch nur einen unvollkommenen Ausgleich für die Anfechtung des Erbschaftsteuerbescheids im Rahmen eines Einspruchsverfahrens, weshalb de lege ferenda eine Ergänzung der Regelung der Einspruchsbefugnis[10] erwogen werden sollte.

 

Rz. 45

Diese Grundsätze gelten gem. § 6 Abs. 4 ErbStG auch im Verhältnis von Vor- und Nachvermächtnisnehmer.[11]

 

Rz. 46–59

einstweilen frei

[1] Zu der auch die erhöhte Steuer aufgrund von Vorerwerben gem. § 14 ErbStG zählt.
[2] BT-Drs. VI/3418, 73.
[6] FG Hamburg v. 11.l1.2012, 3 V 236/121, DStRE 2012, 1452; Meincke/Hannes/Holtz, § 20 ErbStG Rz. 27.
[7] Ebenso Meincke/Hannes/Holtz, § 20 ErbStG Rz. 27.
[8] BFH v. 13.4.2016, II R 55/14, BStBl II 2016, 746 (auch zu den Begründungsanforderungen gem. § 121 AO); s. a. Jandl/Kraus, DStR 2016, 2265, m. w. N. zur früheren abweichenden h. M. in Rspr. und Schrifttum.
[9] Vgl. FG Hamburg v. 18.1.1968, II 180/65, EFG 1968, 362; s. a. Gottschalk, in T/G/J/G, § 20 ErbStG Rz. 56.
[11] FG Hamburg v. 11.1.2012, 3 V 236/11, DStRE 2012, 1452; Gottschalk, in T/G/J/G, ErbStG, § 20 ErbStG Rz. 57.

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