Rz. 13

Das geringfügige Übersteigen des steuerpflichtigen Erwerbs über eine Wertgrenze führt beim Stufentarif systemimmanent zu einer Erhöhung der Steuerbelastung, die zunächst sogar erheblich höher ist, als der die Wertstufe übersteigende Betrag. Dieses Problem stellt sich nach der Reform am deutlichsten für die Steuerklassen II (nach dem WachstBeschlG[1] nicht mehr für Erwerbe ab dem Jahr 2010, vgl. Rz. 8a) und III, da dort bei einem steuerpflichtigen Erwerb über 6 Mio. EUR ein Tarifsprung von 20 % vorgesehen ist.

 
Praxis-Beispiel

Bei einem steuerpflichtigen Erwerb von 6 Mio. EUR in der Steuerklasse II oder III ergibt sich aus der Tabelle ein Steuersatz von 30 %, mithin eine Steuer von 1,8 Mio. EUR. Beträgt der steuerpflichtige Erwerb z. B. nur 100.000 EUR mehr, also insgesamt 6,1 Mio. EUR, kommt nach der Tabelle ein Steuersatz von 50 % zum Tragen. Dies würde eine Steuer von 3.050.000 EUR auslösen. Ein Mehrerwerb von knapp 1,7 % würde damit die Steuerbelastung auf 169 % der Steuer vor dem Stufensprung erhöhen. Die Mehrsteuer i. H. v. 1.250.000 EUR würde den Mehrerwerb von 100.000 EUR um mehr als das 12-fache übersteigen.

Solche gravierenden Tarifsprünge sind nicht folgerichtig und damit auch nicht von der Verfassung gedeckt.[2] Dies hat der Gesetzgeber erkannt und deshalb zur Abmilderung in § 19 Abs. 3 ErbStG einen Härteausgleich geschaffen. Danach soll in der derzeitigen Gesetzesfassung die Mehrsteuer aus dem Erwerb, der eine Stufe übersteigt,

  • nur bis zur Hälfte des Mehrerwerbs erhoben werden, wenn der Steuersatz bis zu 30 % beträgt,
  • nur zu ¾ erhoben werden, wenn der Steuersatz mehr als 30 % beträgt.

Die Gesamtsteuerbelastung wird damit auf den Betrag begrenzt, der sich ergibt,

  • wenn der Erwerb unterhalb der Stufe weiterhin zunächst mit dem seitherigen Steuersatz,
  • und der Mehrerwerb mit max. 50 % bzw. 75 % besteuert wird.
 

Rz. 14

Für die Steuerklassen II (nach dem WachstBeschlG[3] nicht mehr für Erwerbe ab dem Jahr 2010, vgl. Rz. 8a) und III gibt es nur noch einen Tarifsprung (von 30 % auf 50 %). Deswegen kommt für diese am stärksten betroffene Gruppe nur die 75-%-Regelung zum Tragen; ein weiterer Umstand, der die Personen dieser Steuerklassen als Verlierer der Reform erscheinen lässt.

In der Fortsetzung des Beispiels wirkt sich die Anwendung des Härteausgleichs wie folgt aus:

 

Fortsetzung Beispiel aus Rz. 13:

Der steuerpflichtige Erwerb von 6,1 Mio. EUR würde nach § 19 Abs. 1 ErbStG eine Steuer von 3.050.000 EUR auslösen.

Für den steuerpflichtigen Erwerb von 6 Mio. EUR (also den Erwerb auf der letztvorhergehenden Wertgrenze) ergäbe sich aus der Tabelle ein Steuersatz von 30 %, mithin eine Steuer von 1,8 Mio. EUR. Die Differenz aus diesen Steuerbeträgen beträgt 1.250.000 EUR. Der Erwerb über der Wertgrenze beträgt nur 100.000 EUR. Davon dürfen max. 75 % also 75.000 EUR erhoben werden.

Max. festgesetzt werden darf die Summe aus der Steuer auf einen Erwerb der letztvorhergehenden Wertgrenze, also 1,8 Mio. EUR und 75 % des Mehrerwerbs, hier 75.000 EUR, also insgesamt 1.875.000 EUR.

Der Mehrerwerb von knapp 1,7 % erhöht damit die Gesamtsteuerbelastung auf 104 % der Steuer vor dem Stufensprung und den Steuersatz damit insgesamt auf 30,74 %. Vom Mehrerwerb bleiben dem Erwerber dennoch nur 25 % erhalten. Dies kann durchaus als weiterhin verbleibende Härte begriffen werden.

 

Rz. 15

Überschreitet der Mehrerwerb einen bestimmten Umfang, spielt die Tarifbegrenzung irgendwann keine Rolle mehr, weil der Mehrerwerb ausreicht, um für den Gesamterwerb den erhöhten Steuersatz unter Beachtung der Tarifbegrenzung zu decken. Bis dieser Betrag erreicht ist, spricht man von der sog. Härteausgleichszone. Um nicht in jedem Fall durchrechnen zu müssen, ob die Härtefallregelung zum Tragen kommt, stellt die Verwaltung eine Tabelle der Härteausgleichszonen zur Verfügung. Die für ab dem Jahr 2009 gültigen Tabellen ergeben folgendes Bild:

 

Rz. 15a

Für Erwerbe, bei denen die Steuer nach dem 31.12.2008 und vor dem 1.1.2010 entstanden ist und für die Fälle des Art. 3 ErbStRG gilt die folgende Grenzwerttabelle.[4]

 
Wertgrenze gem. § 19 Abs. 3 ErbStG Härteausgleich gem. § 19 Abs. 3 ErbStG bei Überschreiten der letztvorhergehenden Wertgrenze bis einschließlich … EUR in Steuerklasse
EUR I II III
75.000
300.000 82.600
600.000 334.200
6.000.000 677.400
13.000.000 6.888.800 10.799.900 10.799.900
26.000.000 15.260.800
über 26.000.000 29.899.900

Für die Steuerklassen II und III gibt es danach jeweils nur noch eine Härteausgleichszone. Wie gravierend die Steuersatzstufe in diesen Steuerklassen wirkt, zeigt sich auch daran, dass diese Härteausgleichszone bis zu einem Mehrerwerb von 4.799.900 EUR Ermäßigung vom regulären Tarif verschaffen muss.

 

Rz. 15b

Für Erwerbe, bei denen die Steuer nach dem 31.12.2009 entsteht oder entstanden ist, gilt die folgende Grenzwerttabelle:[5]

 
Wertgrenze gem. § 19 Abs. 3 ErbStG

Härteausgleich gem. § 19 Abs. 3 ErbStG bei Überschreiten der letztvorhergehenden Wertgrenze

bis einschließlich … EUR in Steuerklasse
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