Rz. 74

§ 15 Abs. 3 ErbStG mildert die Besteuerung des Schlusserbenerwerbs, mit der Anweisung, dass "auf Antrag der Versteuerung das Verhältnis des Schlusserben oder Vermächtnisnehmers zum zuerst verstorbenen Ehegatten oder dem zuerst verstorbenen Lebenspartner zugrunde zu legen (ist), soweit sein Vermögen beim Tod des überlebenden Ehegatten oder des überlebenden Lebenspartners noch vorhanden ist § 6 Abs. 2 S. 3–5 gilt entsprechend".

Durch die Neufassung im Rahmen der Erbschaftsteuerreform 2008 wurde klar gestellt, dass im Fall des gemeinschaftlichen Testaments von Ehegatten der Schlusserbe oder Vermächtnisnehmer nicht im Rechtssinn als Erbe des erstverstorbenen Ehegatten anzusehen ist, selbst wenn von diesem stammendes Vermögen beim Tod des letztversterbenden Ehegatten auf ihn übergeht. Auch insoweit liegt nur ein einheitlicher Erwerb von Todes wegen vom letztversterbenden Ehegatten vor.

Der Schlusserbe kann also auch in Zukunft nur einen Freibetrag auf den vereinigten Erwerb beanspruchen. Diese Sichtweise wurde vom BFH für die verwandte Regelung des § 6 ErbStG erst jüngst wieder bestätigt.[1]

Weiterhin ist auch der Wert des Erwerbs für die zutreffende Ermittlung des Steuersatzes nach § 19 Abs. 1 ErbStG und des Härteausgleichs nach § 19 Abs. 3 ErbStG wie bisher nach dem Gesamterwerb vorzunehmen.[2] Dadurch bleibt es dem Schlusserben versagt, durch Aufteilung in 2 Erwerbe nach dem Erst- bzw. Letztversterbenden zusätzlich eine günstigere Progression zu erlangen (vgl. Rz. 72).

Unverändert soll jedoch der Erwerb des vom erstverstorbenen Ehegatten stammenden Vermögens nach der im Verhältnis zu diesem Ehegatten geltenden Steuerklasse versteuert werden können, sofern der Schlusserbe zu dem Erstverstorbenen in einem günstigeren erbschaftsteuerlichen Verhältnis wie zum Zweitverstorbenen gestanden hat. Die Besteuerung selbst richtet sich in diesen Fällen weiterhin nach den für Fälle der Vor- und Nacherbschaft getroffenen Regelungen (§ 6 Abs. 2 ErbStG Rz. 25 ff.).

 
Praxis-Beispiel

Das kinderlose Ehepaar A (Ehemann, 70 Jahre) und B (Ehefrau, 35 Jahre, schwerkrank) setzt als Schlusserbin die Mutter der Ehefrau (C, 55 Jahre), als Erbin ein. Die Ehefrau B stirbt zuerst. Der Schlusserwerb der Mutter C von Ehemann A würde – obwohl ursprünglich (teilweise) auch von der eigenen Tochter stammend – grundsätzlich der Steuerklasse II unterfallen. § 15 Abs. 3 ErbStG will die daraus resultierende Härte mildern, indem der Erwerb der Mutter, soweit er von der Tochter stammt, auf Antrag nach Steuerklasse I besteuert werden kann.

Bei einem Erwerb der C i. H. v. 400.000 EUR (jeweils 200.000 EUR von A bzw. B) wird für den Erwerb, der fiktiv von B stammt, ein Freibetrag von 100.000 EUR nach §§ 16 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. 15 Abs. 1 I Nr. 4 (statt 20.000 EUR nach §§ 16 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. § 15 Abs. 1 II Nr. 6 ErbStG) abgezogen. Der Steuersatz liegt bei 11 % nach Steuerklasse I (statt 20 % nach Steuerklasse II), während für den Erwerb, der von A stammt, zwingend ein Steuersatz von 20 % anzusetzen ist (§ 19 ErbStG). Die Steuersatzermittlung erfolgt jeweils aus dem Gesamterwerb nach Abzug des im jeweiligen Verhältnis einschlägigen Freibetrags, vorliegend also aus 300.000 EUR. Insgesamt kann wie bisher nur ein Freibetrag, und zwar der höhere Freibetrag, also 100.000 EUR abgezogen werden.

Dies ergibt folgende Berechnung:

 
Erwerb fiktiv von B: 200.000 EUR  
Freibetrag[3]: 100.000 EUR  
Stpfl. Erwerb 100.000 EUR  
Steuer mit Steuersatz: 11 %    
(Steuersatz aus Gesamterwerb von 300.000 EUR)   11.000 EUR
Erwerb von A: 200.000 EUR  
Freibetrag 0 EUR  
Stpfl. Erwerb 200.000 EUR  
Steuer mit Steuersatz: 20 %    
(Steuersatz aus Gesamterwerb von 300.000 EUR)   40.000 EUR
Gesamtsteuer   51.000 EUR

Ohne Anwendung von § 15 Abs. 3 ErbStG hätte die Steuer 95.000 EUR betragen, nämlich 25 % aus 380.000 EUR.[4]

 

Rz. 75

§ 15 Abs. 3 ErbStG hatte durch die Erbschaftsteuerreform 2008 hinsichtlich der möglichen Anwendungsfälle deutlich an Bedeutung verloren.

Die Norm kam vor Geltung des ErbStRG häufig in den Fällen zur Anwendung, in denen Geschwister, Neffen oder Nichten als Schlusserben des Erstversterbenden eingesetzt waren; also Personen, für deren Verhältnis zum Erstversterbenden in § 15 Abs. 1 ErbStG die Steuerklasse II vorgesehen ist, wogegen zum Zweitversterbenden grundsätzlich Steuerklasse III zur Anwendung kommen müsste.

Nach bisherigem Recht bestanden zwischen Steuerklasse II und Steuerklasse III relevante Belastungsunterschiede hinsichtlich Freibetrag[5] und Steuersatz.[6]

Diese Unterschiede wurden mit dem Erbschaftsteuerreformgesetz vollständig beseitigt, weshalb § 15 Abs. 3 ErbStG in diesen Fällen nicht mehr privilegierend wirken konnte.

 
Praxis-Beispiel

Das Ehepaar A (Ehemann) und B (Ehefrau) setzt als Schlusserben C, die jüngere Schwester der Ehefrau als Erbin ein. Die Ehefrau B stirbt zuerst. Der Schlusserwerb der C von Ehemann A würde grundsätzlich der ungünstigsten Steuerklasse III unterfallen. § 15 Abs. 3 ErbStG will die daraus resultierende Härte mildern, indem ...

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