Rz. 45

Die infolge eines Anfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung erloschenen Rechtsverhältnisse gelten nach § 10 Abs. 3 ErbStG als nicht erloschen.[1] Wird der Erbe durch den Erbfall gegenüber dem Erblasser von einer Schuld befreit, führt diese Schuldbefreiung zu einem steuerbaren Erwerb von Todes wegen i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, der unter den alternativen Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG steuerbefreit ist: Die Schuld ist durch eine Gewährung von Mitteln zum Zweck des angemessenen Unterhalts oder zur Ausbildung des Bedachten begründet worden oder der Erblasser hat die Befreiung mit Rücksicht auf die Notlage des Schuldners angeordnet, wobei diese durch die Zuwendung nicht beseitigt wird. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 5 S. 2 ErbStG entfällt die Steuerbefreiung, soweit die Steuer aus der Hälfte einer neben der erlassenen Schuld dem Bedachten anfallenden Zuwendung gedeckt werden kann.

 

Rz. 46

Die Steuerbefreiung greift nicht nur für den Fall eines Erwerbs von Todes wegen, sondern findet nach § 1 Abs. 2 ErbStG auch bei einer vergleichbaren Befreiung von einer Schuld im Wege einer Zuwendung unter Lebenden i. S. d. § 7 ErbStG Anwendung.[2] Die Steuerklasse des Erwerbers spielt keine Rolle. Werden die entsprechenden Mittel zum angemessenen Unterhalt bzw. zur Ausbildung unmittelbar zugewendet, gilt § 13 Abs. 1 Nr. 12 ErbStG.[3] Die Angemessenheit des Unterhalts richtet sich gem. § 13 Abs. 2 ErbStG nach den Vermögensverhältnissen und der Lebensstellung des Bedachten.[4] Die Zuwendung von Mitteln zur Ausbildung unterliegt keiner Angemessenheitsprüfung.

 

Rz. 47

Eine Schuldbefreiung wegen der Notlage des Schuldners ist lediglich unter der Voraussetzung nach § 13 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG steuerfrei, dass der Gläubiger die Notlage kannte und der Erlass gerade im Hinblick auf die wirtschaftliche oder finanzielle Situation des Schuldners angeordnet wurde. Eine entsprechende Zwangslage liegt vor, wenn sie nicht nur vorübergehender Natur ist und nur durch die Inanspruchnahme der finanziellen Hilfe Dritter beseitigt werden kann, wobei sie nach der gem. § 13 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG steuerbefreiten Zuwendung fortbesteht – der Gläubiger verzichtet insoweit lediglich auf eine wertlose Forderung, was aufseiten des Schuldners zu einer Bereicherung führt.[5] Unter diesen Voraussetzungen kommt ein nach § 13 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG steuerbefreiter Schuldenerlass auch zum Zwecke der Sanierung eines Unternehmens in Betracht.[6]

 

Rz. 48

Werden neben dem Schuldenerlass weitere Zuwendungen getätigt, entfällt nach § 13 Abs. 1 Nr. 5 S. 2 ErbStG die Steuerbefreiung, soweit die Steuer auf den Gesamterwerb aus der Hälfte des zusätzlichen Erwerbs gezahlt werden kann. Diese vollständige oder teilweise Reduzierung der Steuerbefreiung lässt sich vermeiden, indem die weiteren Zuwendungen den persönlichen Freibetrag nach § 16 ErbStG nicht übersteigen oder getrennt und in zeitlichem Abstand zum steuerbefreiten Schuldenerlass vorgenommen werden.[7]

 
Praxis-Beispiel

Ein Erblasser verfügt gegenüber einem Erwerber der Steuerklasse III mit Rücksicht auf dessen Notlage den Erlass einer Darlehensschuld i. H. v. 30.000 EUR und vermacht ihm zudem ein Sparguthaben i. H. v. 10.000 EUR. Bei einem Gesamterwerb von 40.000 EUR abzüglich des Freibetrags nach § 16 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG i. H. v. 20.000 EUR ergibt sich eine Bemessungsgrundlage von 20.000 EUR. Aufgrund des Steuersatzes von 30 % beträgt die Steuer auf den Gesamterwerb 6.000 EUR, die jedoch nach § 13 Abs. 1 Nr. 5 S. 2 ErbStG lediglich in Höhe der Hälfte des nicht begünstigten Erwerbs des Vermächtnisses erhoben wird. Die Steuer beläuft sich letztlich auf 5.000 EUR (= 10.000 EUR × 50 %).

[5] RFH v. 27.7.1931, I e A 61/31, RStBl 1931, 677; RFH v. 8.9.1931, I e A 487/30, RStBl 1931, 852; RFH v. 23.6.1938, III e 81/37, RStBl 1938, 749.
[7] Jülicher, in T/G/J/G, ErbStG, § 13 Rz. 83.

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