Rz. 10

Der Erwerb bestimmter Kulturgüter, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt, wird durch § 13 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG teilweise (Buchst. a) oder unter bestimmten Voraussetzungen vollständig steuerfrei gestellt (Buchst. b). Hintergrund der Steuerbefreiung ist die regelmäßig eingeschränkte Ertragskraft der entsprechenden Vermögensgegenstände einerseits und das öffentliche Interesse an deren Erhaltung andererseits.[1] Betroffen sind sowohl Erwerbe von Todes wegen als auch Zuwendungen unter Lebenden; die Steuerbefreiung gilt zudem im Rahmen der Ersatzerbschaftsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG.[2] Die teilweise oder vollständige Steuerbefreiung entsprechender Erwerbsgegenstände kann von jedem Erwerber bezogen auf seinen jeweiligen Erwerb und unabhängig von der Steuerklasse in Anspruch genommen werden. Die Steuerbefreiung gilt nach umstrittener Ansicht der FinVerw nur für Gegenstände, die sich im Inland oder einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums befinden und für mindestens 10 Jahre dort verbleiben[3] – werden Kunstgegenstände lediglich vorübergehend im Ausland ausgestellt, hat dies keinen Einfluss auf die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG.[4] Der Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der EU führt nicht zum Wegfall der Steuerbefreiung, wenn Kulturgüter als bewegliche Gegenstände bis zum Ablauf der Behaltensfrist im Vereinigten Königreich verbleiben. Werden Kulturgüter, die sich zum Zeitpunkt des Erwerbs im Inland, in einem Mitgliedstaat der EU oder in einem Staat des EWR befunden haben, während der Behaltensfrist in das Vereinigte Königreich verbracht, führt dies nicht zum Wegfall der Steuerbefreiung.[5] Im Übrigen spielt der Wert der Gegenstände keine Rolle, was u. U. zu einer erheblichen steuerlichen Entlastung führen kann. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung sind von Amts wegen zu prüfen.

 

Rz. 11

Begünstigt sind neben Grundbesitz (Schlösser, Industriedenkmale etc.) oder Teilen von Grundbesitz auch Kunstgegenstände, Kunstsammlungen, wissenschaftliche Sammlungen, Bibliotheken und Archive. Zum Grundbesitz zählen sämtliche wirtschaftliche Einheiten des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens bzw. des Grundvermögens sowie die Betriebsgrundstücke.[6] Unklar ist der Begriff "Teile von Grundbesitz". Zwar fallen hierunter nach dem Wortlaut auch einzelne Gebäudeteile, im Hinblick auf die erforderliche Rentabilitätsprüfung[7] muss es sich hierbei jedoch um räumlich abgrenzbare Gebäudeteile handeln.[8] Kunstgegenstände sind Werke der bildenden Kunst. Eine Sammlung erlangt ihren besonderen Wert erst durch die Zusammenfassung mehrerer Einzelgegenstände nach bestimmten Kriterien.[9] Ob diese Voraussetzungen vorliegen, bemisst sich für jede einzelne Zuwendung nach den Eigentumsverhältnissen des Zuwenders.[10]

 

Rz. 12

Die Erhaltung der in § 13 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG genannten Gegenstände muss wegen ihrer Bedeutung für die Kunst, Geschichte oder Wissenschaft im öffentlichen Interesse liegen, d. h. die entsprechende Nutzungsbeschränkung übersteigt das gemeinhin zumutbare Maß.[11] Der Nachweis des besonderen öffentlichen Interesses kann z. B. durch Gutachten der landesrechtlich zuständigen Behörden erbracht werden.[12]

 

Rz. 13

Weitere kumulative Voraussetzung der Steuerbefreiung von Kulturgütern ist, dass die jährlichen Kosten i. d. R. die erzielten Einnahmen übersteigen. Eine entsprechende dauerhafte Unrentabilität muss sich durch eine Prognose feststellen lassen[13], wobei eine kurzzeitige und vorübergehende Gewinnerzielung unschädlich ist.[14] Zur Ermittlung sind die Kosten (z. B. Instandhaltungsaufwand, Versicherungsprämien etc.) den Einnahmen (z. B. Eintrittsgelder, Mieten etc.) gegenüberzustellen. Nach Ansicht der FinVerw zählt zu den Kosten auch der Mietwert der eigenen Wohnung; die Absetzung für Abnutzung ist hingegen Teil der jährlichen Kosten, bei denen die Verzinsung des Eigenkapitals nicht berücksichtigt wird.[15] Bei Grundstücken genügt der Bescheid über einen Grundsteuererlass nach § 32 GrStG.[16]

 

Rz. 14

Die Steuerbefreiung setzt zudem voraus, dass die Gegenstände in einem den Verhältnissen entsprechenden Umfang den Zwecken der Forschung oder der Volksbildung nutzbar gemacht sind oder gemacht werden. Die betreffenden Kulturgüter müssen nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht bereits durch den Zuwender der Forschung oder Volksbildung zugänglich gemacht worden sein; es reicht aus, wenn dies in zeitlicher Nähe zum Erwerb erst durch den Erwerber geschieht.[17] Die betreffenden Gegenstände müssen zudem nicht tatsächlich für Forschung und Volksbildung genutzt werden (z. B. Ausstellung in einem Museum[18]), es genügt, wenn sie für die entsprechenden Zwecke einem interessierten Personenkreis zur Verfügung stehen. Ein entsprechender Nachweis kann durch eine Bescheinigung bzw. ein Gutachten der landesrechtlich zuständigen Behörden erbracht werden.[19]

 

Rz. 15

Unter den vorstehend genannten Voraussetzungen greift nach § 13...

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