Rz. 68

§ 13 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG stellt den Verzicht auf die Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs oder eines Erbersatzanspruchs steuerfrei. Zwar entsteht ein Pflichtteilsanspruch zivilrechtlich nach § 2317 Abs. 1 BGB bereits mit dem Tod des Erblassers, der Erbschaftsteuerpflicht unterliegt jedoch erst der geltend gemachte Pflichtteilsanspruch als Erwerb von Todes wegen i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG[1] – bis zu dieser Geltendmachung ist aufseiten des Pflichtteilsberechtigten noch keine Steuer gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG entstanden. Korrespondierend hierzu kann aufseiten des Erben mangels wirtschaftlicher Belastung in diesem Zeitraum bis zur Geltendmachung des Pflichtteils- oder Erbersatzanspruchs auch keine entsprechende Nachlassverbindlichkeit i. S. d. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG geltend gemacht werden.[2]

 

Rz. 69

Verzichtet der Pflichtteilsberechtigte ausdrücklich gegenüber dem Erben auf den Pflichtteil, begünstigt dies zwar letztlich den Erben. Da dessen Belastung mit dem Pflichtteilsanspruch sich jedoch (bislang) nicht als abzugsfähige Nachlassverbindlichkeit i. S. d. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG ausgewirkt hat, stellt § 13 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG konsequenterweise einen entsprechenden Erwerb des Erben infolge eines Verzichts steuerfrei. Etwas anderes gilt hingegen, wenn der Pflichtteilsberechtigte zunächst seinen Pflichtteilsanspruch geltend macht, nach Geltendmachung jedoch auf die Erfüllung des Anspruchs verzichtet.[3] Ein solcher unentgeltlicher Verzicht nach Geltendmachung stellt eine eigenständige freigebige Zuwendung unter Lebenden des Pflichtteilsberechtigten gegenüber dem Erben i. S. d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar.[4] Der Pflichtteilsanspruch muss zuvor nicht ausdrücklich geltend gemacht worden sein, es genügt, wenn ein entsprechendes Erbieten des Verpflichteten angenommen[5] oder eine Stufenklage i. S. d. § 254 ZPO mit einem der Höhe nach noch nicht bezifferten Leistungsbegehren erhoben wurde.[6] Ein entgeltlicher Verzicht auf den geltend gemachten Pflichtteilsanspruch führt aufseiten des Pflichtteilsberechtigten zu einem steuerpflichtigen Erwerb von Todes wegen nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG.[7] Ein Verzicht gegen Abfindung bereits vor dem Erbfall unterliegt nach § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG der Schenkungsteuer.[8] Die zinslose Stundung eines nicht geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs stellt keine der Schenkungsteuer unterliegende freigebige Zuwendung dar.[9]

 

Rz. 70

Die gleichen Grundsätze galten für den Erbersatzanspruch eines nichtehelichen Kinds, der mit Gesetz vom 16.12.1997[10] abgeschafft wurde. Ein solcher Erbersatzanspruch wurde ebenfalls erst mit seiner Geltendmachung als Erwerb von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG besteuert.[11] Wurde auf den Erbersatzanspruch verzichtet oder dieser Anspruch ausgeschlagen, war auch der entsprechende Vermögensanfall beim Erben nach § 13 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG steuerfrei. Erfolgte der Verzicht zeitlich nach der Geltendmachung, führte dies zu einer steuerpflichtigen freigebigen Zuwendung unter Lebenden des Anspruchsberechtigten gegenüber dem Erben. Wurde ein solcher zeitlich nachgelagerter Verzicht gegen Entgelt oder Abfindung vorgenommen, galt § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG.[12]

[2] § 9 ErbStG Rz. 40 ff.; § 10 ErbStG Rz. 183 ff.; S. Viskorf, in V/S/W, ErbStG, 2023, § 13 Rz. 117 f.
[5] RFH v. 19.4.1929, V e A 908/28, RStBl 1929, 515; RFH v. 5.11.1936, III e A 63/36, RStBl 1936, 1131.
[7] § 3 ErbStG Rz. 543 ff.; S. Viskorf, in V/S/W, ErbStG, 2023, § 13 Rz. 122.
[10] BGBl I 1997, 2968.

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