Rz. 290

Wie sich aus der Begründung des Regierungsentwurfs zu Art. 2 Nr. 2 ErbStRG ergibt, ist die Wertermittlung "unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten" aus Sicht des Gesetzgebers gleichbedeutend mit der Bewertung im Ertragswertverfahren. Davon gingen auch die während der Dauer des Gesetzgebungsverfahrens veröffentlichten Diskussionsbeiträge in der Literatur einhellig aus.[1] Dieses Textverständnis wurde dadurch unterstützt, dass der Regierungsentwurf zu § 11 Abs. 2 BewG in Satz 4 die Ermächtigung zu einer Rechtsverordnung enthielt, durch die das BMF ermächtigt werden sollte, den "bei Ertragswertermittlungen" anzuwendenden Kapitalisierungssatz und Einzelheiten für "ein Ertragswertverfahren" zu regeln. Die endgültige Gesetzesfassung enthält diese Verordnungsermächtigung allerdings nicht mehr. Stattdessen ordnet § 11 Abs. 2 S. 4 BewG die Berücksichtigung der unmittelbar im Gesetz[2] getroffenen Regelungen über ein vereinfachtes Ertragswertverfahren an.

 

Rz. 291

Unter Hinweis auf den Gesetzestext vertreten Hübner und Piltz die Ansicht, dass die dort angeordnete "Berücksichtigung der Ertragsaussichten" nicht als Verweisung auf die betriebswirtschaftliche Ertragswertmethode verstanden werden könne.[3] Denn nach seinem Wortsinn bedeute "berücksichtigen" nur, dass der zu berücksichtigende Umstand nicht außer Acht gelassen werden dürfe, nicht hingegen, dass er der alleinige Beurteilungsmaßstab zu sein habe. Daraus folge, dass jede Bewertungsmethode, die die Ertragsaussichten einbeziehe, eine Ermittlung "unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten" darstelle und ohne den für andere Methoden erforderlichen Üblichkeitsnachweis der Bewertung zugrunde gelegt werden könne. Neben reinen Ertragswertmethoden könnten daher z. B. auch das Mittelwertverfahren (Mittel aus Substanzwert und Ertragswert) oder auch das Stuttgarter Verfahren (Substanzwert auf der Grundlage von Verkehrswerten zuzüglich Summe der sog. Übergewinne) zur Anwendung kommen.[4]

 

Rz. 292

Der Hinweis auf den Wortsinn des Begriffs "Berücksichtigung" trifft zwar zu. Gegen die allein daran anknüpfende Auslegung spricht jedoch, dass die "Berücksichtigung der Ertragsaussichten" an die Stelle der in der früheren Fassung vorgeschriebenen "Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten" getreten ist. In Bezug auf die bis zum 31.12.2008 geltende Gesetzesfassung hat der BFH aber in st. Rspr. entschieden, dass das zuletzt in R 97 ff. ErbStR 2003 geregelte Stuttgarter Verfahren, das bei der Regelbewertung die ausschließliche Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten vorsah, ein geeignetes Schätzungsverfahren darstellte, von dem mit Rücksicht auf die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nur abzuweichen war, wenn es ausnahmsweise aus besonderen Gründen des Einzelfalls zu nicht tragbaren, d. h. offensichtlich unrichtigen Ergebnissen führte.[5] Die Streichung der Worte "des Vermögens" muss daher zu dem Schluss führen, dass die Bewertung nach der Neufassung des Gesetzes im Regelfall allein aufgrund der Ertragsaussichten erfolgen soll. Gegen die wortlautgerechte Interpretation des Begriffs "Berücksichtigung" spricht außerdem der auf die "Berücksichtigung der Ertragsaussichten" folgende Satzbau des § 11 Abs. 2 S. 2 BewG. Da es der Gesetzgeber nicht für erforderlich gehalten hat, nach dem Verbindungswort "oder" das Verhältniswort "nach" einzufügen, bezieht sich das Wort "Berücksichtigung" auch auf die "anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode(n)". Hiernach gäbe es überhaupt kein Verfahren, das der Bewertung insgesamt zugrunde zu legen wäre, sondern nur Methoden, die zu "berücksichtigen" sind. Dies steht aber in Widerspruch zum letzten Satzteil des § 11 Abs. 2 S. 2 BewG, der die Methode für maßgeblich erklärt, die ein Erwerber der Bemessung des Kaufpreises zugrunde legen würde, und damit die Möglichkeit einer eindeutigen Methodenwahl voraussetzt.

U.E. ist daher in Einklang mit den vom Gesetzgeber verfolgten Absichten unter der "Berücksichtigung der Ertragsaussichten" die Bewertung in einem Ertragswertverfahren zu verstehen, dessen Einzelheiten im Gesetz allerdings nicht geregelt sind. Das Gesetz verweist vielmehr damit auf außerjuristische Regeln, die in der Betriebswirtschaftslehre und der Berufspraxis der Wirtschaftsprüfer entwickelt worden sind.[6]

 

Rz. 293

Gemeinsames Merkmal der verschiedenen in der Bewertungspraxis anzutreffenden Ertragswertverfahren ist, dass der Unternehmenswert durch die Kapitalisierung der in der Zukunft zu erwartenden Erträge erfolgt. Methodisch werden Ertragswertverfahren im engeren Sinne und Discounted-Cashflow-Verfahren (DCF-Verfahren) unterschieden.[7]

Bei den Ertragswertverfahren im engeren Sinne werden die dem Unternehmenseigner zukünftig zufließenden finanziellen Überschüsse aus den künftigen handelsrechtlichen Erfolgen abgeleitet. Demgegenüber bestimmen DCF-Verfahren den Unternehmenswert durch Diskontierung von Cashflows, d. h. zu erwartender Zahlungen an die Kapi...

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