Rz. 40

Nach § 5 Abs. 1 S. 1 BewG werden Wirtschaftsgüter, die unter einer auflösenden Bedingung erworben sind, wie unbedingt erworbene behandelt. Dies gilt auch für den Fall, dass sich bei einer Erbeinsetzung die auflösende Bedingung auf den Erwerb des Nachlasses als Ganzes bezieht. Als auflösend bedingter Erwerb gilt auch die Vorerbfolge, wenn die Nacherbfolge nicht durch den Tod des Vorerben eintritt.[1]

Praktische Bedeutung haben im Erbrecht insbesondere Erb- oder Vermächtniseinsetzungen mit einer Straf- oder Verwirkungsklausel, z. B. für den Fall der Wiederverheiratung.[2]

 
Praxis-Beispiel

Hat der kinderlos verstorbene E seine Ehefrau F mit der Bestimmung zur Alleinerbin eingesetzt, dass diese im Fall der Wiederverheiratung nur den dem Pflichtteil entsprechenden Teil des Nachlasses (½) behalten darf und den Rest an die Kinder seines Bruders B herausgeben muss, so hat F mit dem Tod des E nur den dem Pflichtteil entsprechenden Teil des Nachlasses endgültig erworben, während der Erwerb des restlichen Nachlasses unter der auflösenden Bedingung ihrer Wiederverheiratung steht. Die Ungewissheit, in welchem Umfang F endgültig bereichert ist, bleibt so lange bestehen, bis sie entweder eine neue Ehe eingeht oder ohne erneute Eheschließung verstirbt. Dessen ungeachtet hat F zunächst den gesamten Nachlass zu versteuern.

Auflösend bedingt ist nach bürgerlichem Recht auch das Anteilsrecht eines Abkömmlings am Gesamtgut der fortgesetzten Gütergemeinschaft. Es erlischt, wenn der Abkömmling während des Bestehens der fortgesetzten Gütergemeinschaft stirbt oder auf seinen Anteil verzichtet.[3]

 

Rz. 41

Der Umstand, dass der Erwerb zu einem späteren Zeitpunkt möglicherweise wieder wegfällt, wirkt sich grundsätzlich weder auf die Zurechnung noch auf die Bewertung des Vermögenserwerbs aus. Eine Ausnahme gilt nur für den Fall, dass dieser in dem Recht auf wiederkehrende Nutzungen von unbestimmter Dauer besteht. Nach § 5 Abs. 1 S. 2 BewG bleiben die für die Berechnung ihres Kapitalwerts geltenden Vorschriften des § 13 Abs. 2 und 3 BewG und der §§ 14 und 15 Abs. 3 BewG unberührt. Grundsätzlich sind diese mit dem 9,3-fachen ihres Jahreswerts anzusetzen[4], wenn der gemeine Wert nicht nachweislich geringer oder höher ist.[5] Von der Lebensdauer des Berechtigten abhängige Nutzungen sind in Abhängigkeit von dessen vollendetem Lebensalter bei Leistungsbeginn zu bewerten.[6] Ihrem Betrag nach ungewisse oder schwankende Nutzungen oder Leistungen sind auf der Grundlage ihres voraussichtlichen Durchschnittsbetrags zu bewerten.[7]

 

Rz. 42

Tritt die auflösende Bedingung ein, so ist die Festsetzung der nicht laufend veranlagten Steuern – zu denen auch die Erbschaft- und Schenkungsteuer gehört – nach § 5 Abs. 2 S. 1 BewG auf Antrag nach dem tatsächlichen Wert des Erwerbs zu berichtigen. Zum tatsächlichen Erwerb zählt alles, was der ursprünglich Berechtigte an Substanz verbraucht hat, ohne gegenüber dem endgültig Berechtigten zum Ersatz verpflichtet zu sein, sowie darüber hinaus der Wert der während der Berechtigungsdauer zugeflossenen Erträge[8]; im Ergebnis ist der Erwerber daher wie ein Nießbraucher zu behandeln, wie dies für die Rückgängigmachung von Schenkungen durch § 29 Abs. 2 ErbStG ausdrücklich angeordnet wird.[9]

 
Praxis-Beispiel

Geht F im vorhergehenden Beispielsfall nach 5 Jahren eine neue Ehe ein und hat sie in dieser Zeit aus dem Nachlass jährliche Nutzungen von insgesamt 40.000 EUR gezogen, so hat sie den auf die herauszugebende Hälfte entfallenden Teil der Erträge zusammen mit dem ihr unbedingt verbleibenden Teil des Nachlasses zu versteuern. Der Kapitalwert dieser Nutzungen entspricht bei Anwendung der Anlage 9a zu § 13 BewG (40.000 EUR : 2 =) 20.000 EUR × 4,388 = 87.760 EUR. Hinzu käme ggf. noch der Wert der während der Dauer der Berechtigung verbrauchten und ihr endgültig verbleibenden Vermögenssubstanz.

 

Rz. 43

Fraglich ist, ob die Berichtigung nach § 5 Abs. 2 S. 1 BewG auch dann vorzunehmen ist, wenn der Anspruch auf wiederkehrende Bezüge wegfällt oder ob es in diesem Fall endgültig bei der in § 13 Abs. 2 BewG vorgesehenen Besteuerung mit dem 9,3-fachen des Jahresbetrags verbleibt.[10] U.E. bezieht sich die in § 5 Abs. 1 S. 2 BewG enthaltene Verweisung auf § 13 Abs. 2 BewG auf den gesamten Inhalt des § 5 BewG, sodass § 13 Abs. 2 BewG nicht nur für die Bewertung im Entstehungszeitpunkt, sondern auch für die Bewertung nach Eintritt der auflösenden Bedingung gilt. Dafür, dass die zum Stichtag vorgenommene Bewertung auch nach Eintritt der auflösenden Bedingung maßgeblich bleibt, spricht im Übrigen auch der Umkehrschluss aus § 14 Abs. 2 BewG, der für lebenslängliche Nutzungen eine Änderung der Steuerfestsetzung in entsprechender Anwendung des § 5 Abs. 2 BewG nur für den Fall vorsieht, dass die tatsächliche Laufzeit der Nutzung wesentlich von derjenigen abweicht, die der Ermittlung des nach § 14 Abs. 1 BewG maßgeblichen Vervielfältigers zugrunde liegt.

 

Rz. 44

Der für die Berichtigung der Steuerfestsetzung erforderliche Antrag ist nach § 5 Ab...

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