Rz. 2

Bemessungsgrundlage der Erbschaft- und Schenkungsteuer ist der in § 10 ErbStG näher umrissene steuerpflichtige Erwerb. § 10 ErbStG selbst ist zweigeteilt. Während § 10 Abs. 1–4 und Abs. 10 ErbStG den aus dem steuerpflichtigen Vorgang erwachsenden Vermögensvorteil erfasst, regelt § 10 Abs. 5–9 ErbStG, welche Vermögensminderungen gegen den Erwerb zum Abzug gebracht werden können. Das Erbschaftsteuerrecht folgt somit einem objektiven Nettoprinzip, wobei jedoch der Erkenntniswert dieses Begriffs nicht überschätzt werden sollte, weil er deskriptiv, nicht normativ zu verstehen ist.[1] Größere Bedeutung kommt der Diskussion um die Qualität des objektiven Nettoprinzips jedoch nicht zu, da der Gesetzgeber von Verfassungs wegen gehalten ist, seine Belastungsentscheidung – wie sie im Erbschaftsteuerrecht maßgeblich durch § 10 ErbStG geprägt ist – folgerichtig umzusetzen.[2]

[1] In Bezug auf das Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht ließ das BVerfG stets offen, ob dem objektiven Nettoprinzip Verfassungsrang zukomme, vgl. aus der neueren Rspr. BVerfG v. 9.12.2008, 2 BvL 1/07 u. a., Pendlerpauschale, BVerfGE 122, 210, 234; BVerfG v. 12.5.2009, 2 BvL 1/00, Jubiläumsrückstellung, BVerfGE 123, 111, 121; BVerfG v. 6.7.2010, 2 BvL 13/09, häusliches Arbeitszimmer, BVerfGE 126, 268, 279 f.; BVerfG v. 12.10.2010, 1 BvL 12/07, § 8b KStG, BVerfGE 127, 224, 248; überzeugend BVerfG v. 15.2.2016, 1 BvL 8/12, BStBl II 2016, 557, Gewerbesteuer.
[2] Wobei der Grundsatz der Folgerichtigkeit seinerseits konturenarm ist und in BVerfG v. 17.12.2014, 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136, zu Recht nur beiläufige Erwähnung fand.

2.1 Allgemeines zum steuerpflichtigen Erwerb

 

Rz. 3

§ 10 ErbStG regelt den Umfang des steuerpflichtigen Erwerbs. Grundlage der Regelung ist das mit dem ErbStG verfolgte Ziel, den durch den Erbfall anfallenden Vermögenszuwachs jeweils gem. seinem realitätsgerechten Wert zu belasten.[1]

 

Rz. 4

Aus § 10 ErbStG folgt der Grundsatz, dass nur der Nettobetrag der Bereicherung der Erbschaftsteuer unterliegt.[2]

 

Rz. 5

Der steuerpflichtige Erwerb wird ermittelt, indem aus dem gesamten (nach § 12 ErbStG bewerteten) Vermögensanfall – wobei in den in § 10 Abs. 10 ErbStG genannten Fällen nur der Abfindungsanspruch und nicht der Anteilswert zu berücksichtigen ist – die in § 10 Abs. 5–9 ErbStG aufgeführten Nachlassverbindlichkeiten abgezogen werden. Dieser Wert ist sodann um die nach §§ 5, 13, 13a, 13d, 16, 17 und 18 ErbStG steuerfreien Teile des Erwerbs zu kürzen; der Ansatz einer Steuerbefreiung nach den vorgenannten Vorschriften ist gegenüber einem nach § 10 Abs. 5–9 ErbStG abzugsfähigen Posten systematisch nachrangig.[3]

 

Rz. 6

Ein steuerpflichtiger Erwerb liegt nur vor, wenn sich als Saldo der nach § 10 ErbStG vorgesehenen Ermittlung ein positiver Steuerwert ergibt. Bei einem negativen Steuerwert fehlt es an einer Bereicherung des Erwerbers.

 

Rz. 7

Im Zusammenhang mit der Zusammenrechnungsvorschrift des § 14 ErbStG können wegen der Regelung des § 14 Abs. 1 S. 5 ErbStG sachlich selbstständige steuerpflichtige Erwerbe mit negativem und positivem Steuerwert nicht saldiert werden. Möglich ist die Saldierung nur bei einem einheitlichen Erwerb mit teils positivem und teils negativem Teilerwerben. Grundsätzlich stellt jedoch jeder steuerpflichtige Vorgang einen eigenständigen Erwerb dar. Ein einheitlicher Erwerb liegt vor, wenn der Erwerber aufgrund derselben letztwilligen Verfügung sowohl zum Erben als auch zum Vermächtnisnehmer berufen wird. Demgegenüber sind gesonderte Erwerbe anzunehmen, wenn der Erwerber zeitgleich von derselben Person Gegenstände von Todes wegen und aufgrund freigebiger Zuwendung unter Lebenden bzw. wenn er zeitgleich Gegenstände von mehreren Erblassern bzw. Schenkern erlangt. Der Zusammenfassung mehrerer Erwerbe in einem zusammengefassten Bescheid kommt insoweit keine eigenständige Bedeutung zu.[4]

 
Hinweis

Es kann sich daher u. U. empfehlen, durch eine entsprechende Gestaltung (z. B. Zuschenkungen) eine Verbindung von positivem und negativem Erwerb herbeizuführen.

 

Rz. 8

Eine nähere Definition der maßgeblichen Bereicherung des Erwerbers enthält § 10 ErbStG allerdings nur für Erwerbe von Todes wegen (§ 10 Abs. 1 S. 2 ErbStG; vgl. dazu nachfolgend Rz. 9). Für Schenkungen unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) fehlt eine entsprechende Bestimmung. Die insoweit anzuwendenden Grundsätze werden nachfolgend unter Rz. 25 ff. dargestellt.

2.2 Erwerb von Todes wegen (§ 10 Abs. 1 S. 2)

 

Rz. 9

§ 10 Abs. 1 S. 2 ErbStG bestimmt, wie die Bereicherung des Erwerbers beim Erwerb von Todes wegen zu ermitteln ist. Aus der Vorschrift ergibt sich für den steuerpflichtigen Erwerb[1] folgendes Berechnungsschema:

Gesamter Vermögensanfall (bewertet gem. § 12 ErbStG i. V. m. BewG)

./. nach § 10 Abs. 5–9 ErbStG abzugsfähige Nachlassverb...

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