Rz. 60

Eine rechtsfähige Stiftung i. S. d. §§ 80 ff. BGB ist in bürgerlich-rechtlicher Hinsicht eine rechtsfähige Organisation (Verwaltung), die keine Mitglieder hat und bestimmte, durch den Stiftungsakt festgelegte Zwecke mithilfe eines Vermögens verfolgt, das diesen Zwecken dauerhaft gewidmet ist.[1] Destinatäre, die nach dem Stiftungszweck begünstigt sind, haben keine mitgliedschaftliche Rechtsposition, sondern sind als Bezugs- oder Anfallsberechtigte lediglich Nutznießer des Stiftungsvermögens.[2] Unselbstständige Stiftungen verfügen demgegenüber zwar über ein dem Stiftungszweck gewidmetes Vermögen, haben aber keine eigene Rechtspersönlichkeit.[3] Der Tod des Stifters bzw. der Destinatäre hat keine Auswirkungen auf den Bestand der rechtsfähigen Stiftung. Aus diesem Grunde eignet sich die Stiftung als Instrument der Vermögens- und Unternehmensnachfolge, da der Stifter mit der Errichtung einer Familienstiftung – im Gegensatz zu einer bloßen Testamentsvollstreckung – die Nachfolge und den Bestand des Vermögens bzw. Unternehmens über mehrere Generationen regeln und sichern kann.[4]

 

Rz. 61

§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG erfasst das Vermögen einer Stiftung, sofern sie wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien errichtet ist. Der Begriff der Familienstiftung wird mit dieser Formulierung nicht exakt definiert, sondern mit dem Kriterium des wesentlichen Familieninteresses vielmehr lediglich umschrieben. Der konkrete Bedeutungsgehalt kann über quantitative oder qualitative Merkmale erschlossen werden.[5] Nach Ansicht des BFH bestimmt sich der Begriff der Familienstiftung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG in erster Linie nach qualitativen Kriterien: Ob eine Stiftung als Familienstiftung anzusehen ist, ist anhand des vom Stifter verfolgten Zwecks der Stiftung zu beurteilen, wie er ihn objektiv erkennbar in der Satzung zum Ausdruck gebracht hat; die Bezeichnung durch den Stifter sowie die Einschätzung der Stiftungsaufsicht sind für die erbschaftsteuerrechtliche Beurteilung unerheblich.[6] Eine Stiftung dient wesentlich dem Interesse einer Familie oder bestimmter Familien, wenn nach der Satzung und ggf. dem Stiftungsgeschäft ihr Wesen darin besteht, es den Familien zu ermöglichen, das Stiftungsvermögen, soweit es einer Nutzung zu privaten Zwecken zugänglich ist, zu nutzen und die Stiftungserträge an sich zu ziehen; inwieweit davon tatsächlich Gebrauch gemacht wird, ist nicht entscheidend.[7] Der Begriff Vermögensinteresse der Familie ist nach Ansicht des BFH weit zu fassen, da hierzu nicht nur Bezugs- und Anfallsrechte gehören, sondern auch alle unmittelbaren oder mittelbaren, nicht notwendig in Geld bezifferbaren Vermögensvorteile, die die begünstigte Familie aus dem Stiftungsvermögen zieht.[8]

 

Rz. 62

Nach Ansicht der FinVerw liegt nach quantitativen Kriterien eine Familienstiftung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG vor, wenn unter Rückgriff auf § 15 Abs. 2 AStG nach der Satzung der Stifter, seine Angehörigen und deren Abkömmlinge zu mehr als 50 % bezugs- und anfallsberechtigt sind.[9] Eine Familienstiftung liegt aber auch dann vor, wenn die genannten Destinatäre zu mehr als 25 % bezugs- oder anfallsberechtigt sind, und zusätzliche Merkmale ein wesentliches Familieninteresse belegen, was insbesondere dann der Fall sein kann, wenn die Familie wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Stiftung hat.[10] Als wesentliche Familieninteressen erkennt die FinVerw insbesondere die unentgeltliche oder verbilligte Nutzung des Stiftungsvermögens an, z. B. die Nutzung der stiftungseigenen Immobilien zu Wohnzwecken, den Einsatz des Personals der Stiftung für Arbeiten im Rahmen des eigenen Hausstandes oder bei einer Stiftung mit Kunstbesitz den Vorteil, von diesem Kunstbesitz umgeben zu sein.[11] Im Schrifttum wird bei Ansatz quantitativer Kriterien bezüglich der Bezugs- und Anfallsberechtigung auf Größen zwischen 25 % und 90 % abgestellt.[12]

 

Rz. 63

Die Voraussetzungen einer Familienstiftung müssen während des gesamten 30-Jahreszeitraums erfüllt sein.[13]

 

Rz. 64

Der im Gesetz ebenfalls nicht definierte Begriff des Familienvereins bestimmt sich nach den für die Familienstiftung geltenden Kriterien.[14] § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG gilt lediglich für Vereine, deren Mitgliedschaft nach § 38 S. 1, § 40 BGB nicht vererblich ist, da wegen der erforderlichen Vergleichbarkeit mit der Familienstiftung die zum Vereinsvermögen zählenden Werte nicht der Erbfolge entzogen sein dürfen.[15] Der Familienverein hat kaum praktische Bedeutung.[16]

 

Rz. 65

Der Ersatzerbschaftsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG unterliegen nur inländische Familienstiftungen.[17] Unselbstständige Stiftungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit fallen nicht unter die Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG.[18] Das einer unselbstständigen Stiftung liechtensteinischen Rechts übertragene, jedoch weiter dem Stifter zuzurechnende Vermögen gehört beim Tode des Stifters zum Erbanfall, wenn die Herrschaftsbefugnisse des Stifters vererblich sind.[19]

 

Rz. 66–79

einstweilen frei

[...

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