OFD Karlsruhe, 1.12.2007, S 0127/1

 

1. Allgemeines

1.1 Geht die örtliche Zuständigkeit für die Besteuerung durch eine Änderung der sie begründenden Umstände von einem FA auf ein anderes FA über, tritt ein Wechsel in der Zuständigkeit erst in dem Zeitpunkt ein, in dem eines der betroffenen Finanzämter von dem Zuständigkeitswechsel erfährt (§ 26 Satz 1 AO). Ein Steuerpflichtiger kann sich auf eine veränderte örtliche Zuständigkeit der Finanzämter nicht berufen, solange die die Zuständigkeit verändernden Umstände keinem der betroffenen Finanzämter zweifelsfrei bekannt geworden sind (BFH-Urteil vom 25.1.1989, BStBl 1989 II S. 483).

1.2 Der genaue Zeitpunkt, zu dem das bislang zuständige FA von einem Zuständigkeitswechsel erfahren hat, kann im Hinblick auf die Steuerberechtigung des Landes von erheblicher Bedeutung sein. Die Umstände, die zu einer Änderung in der örtlichen Zuständigkeit führen, sind aus diesem Grunde unter Angabe des Datums aktenkundig zu machen.

1.3 Tritt ein Zuständigkeitswechsel ein, hat das neu zuständig gewordene FA die Besteuerung in vollem Umfange zu übernehmen. Es hat also unerledigte Veranlagungen durchzuführen und die Kassengeschäfte abzuwickeln. Erforderlichenfalls hat es auch Vollstreckungsmaßnahmen wegen Steuerrückständen aus zurückliegenden Jahren vorzunehmen bzw. fortzuführen, weil die Zuständigkeit für die Besteuerung auch die Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen umfasst.

Die Übernahme der Besteuerung kann daher nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass

  • Steuererklärungen unbearbeitet und Veranlagungen noch nicht durchgeführt sind,
  • die persönliche und/oder sachliche Steuerpflicht zwischenzeitlich erloschen ist,
  • über Anträge des Steuerpflichtigen (z.B. auf Erlass von Steuerschulden) noch nicht entschieden ist oder
  • der Steuerpflichtige mit der Zahlung fälliger Steuern rückständig ist.

Auch ein anhängiges außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren hindert die Übernahme der Besteuerung durch das neu zuständig gewordene FA nicht, da nach § 367 Abs. 1 Satz 2 AO jeder nach Erlass des Verwaltungsakts eingetretene Zuständigkeitswechsel auch eine Zuständigkeitsänderung im Einspruchsverfahren bewirkt (Hinweis auf AEAO zu § 367, Nr. 1). Die Rechtsbehelfsvorgänge sind daher mit den übrigen Akten abzugeben.

 

2. Fortführung des Verfahrens nach § 26 Satz 2 AO

Nach § 26 Satz 2 AO kann das bisher zuständige FA ein bereits begonnenes Verwaltungsverfahren – trotz eines zwischenzeitlich eingetretenen Zuständigkeitswechsels – fortführen, wenn dies unter Wahrung der Interessen des Steuerpflichtigen der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens dient und das nunmehr zuständige FA zustimmt. Eine entsprechende Vereinbarung zwischen den beteiligten Finanzämtern kann sich stets nur auf einzelne, im Zeitpunkt des Zuständigkeitswechsels anhängige Verwaltungsverfahren beziehen, nicht jedoch auf die örtliche Zuständigkeit für die Besteuerung insgesamt (insoweit Hinweis auf § 27 AO).

Als Verwaltungsverfahren i.S. des § 26 Satz 2 AO ist insbesondere das einzelne Besteuerungsverfahren anzusehen, das im Allgemeinen mit der Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärung oder der Abgabe der Steuererklärung beginnt und mit der erforderlichenfalls im Vollstreckungswege durchzuführenden Verwirklichung des Anspruchs (Einziehung bzw. Erstattung der Steuer) endet, einschließlich eines etwaigen außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens. Dabei ist jede Steuerart und jeder Veranlagungszeitraum gesondert zu betrachten.

Vereinbarungen nach § 26 Satz 2 AO können insbesondere zweckmäßig sein, wenn

  • der Steuerpflichtige die Fortführung des Verfahrens durch das bisher zuständige FA beantragt und dafür wichtige Gründe anführt,
  • die Bearbeitung eines Falles bereits kurz vor dem Abschluss steht oder
  • eine Außenprüfung stattgefunden hat und der Prüfungsbericht noch nicht ausgewertet ist.

Eine Vereinbarung nach § 26 Satz 2 AO bedarf zwar nicht der Zustimmung des betroffenen Steuerpflichtigen, jedoch sind seine Interessen angemessen zu berücksichtigen. Von der Fortführung des Verwaltungsverfahrens durch das bisher zuständige FA ist er in Kenntnis zu setzen.

 

3. Sonderfälle zum Übergang der örtlichen Zuständigkeit

 

3.1 Wohnsitzverlegung bei gleichzeitiger Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe

Verlegt der Steuerpflichtige unter gleichzeitiger Veräußerung oder Aufgabe seines Betriebs seinen Wohnsitz in den Bezirk eines anderen als des bisher zuständigen Finanzamts, sind die Personensteuerakten unverzüglich an das neu zuständig gewordene Wohnsitzfinanzamt abzugeben.

Eine gesonderte Feststellung der betrieblichen Einkünfte durch das bisherige Wohnsitzfinanzamt auf der Grundlage des § 180 Abs. 1 Nr. 2b AO scheidet aus, da der Tatbestand dieser Vorschrift nur erfüllt ist, wenn nach den Verhältnissen zum Schluss des Gewinnermittlungszeitraums der Wohnort und der Betriebs- bzw. Tätigkeitsort in den Bezirken verschiedener Finanzämter liegen. Das bisher zuständige FA (Betriebsfinanzamt) hat jedoch für Zwecke der Einkommensteuer den Gewinn aus...

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