Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch eines nach Deutschland entsandten polnischen Arbeitnehmers

 

Leitsatz (amtlich)

Ein polnischer Arbeitnehmer, der mit seiner Familie in Polen lebt und von seinem Arbeitgeber nach Deutschland entsandt wird und der polnischen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheiten unterliegt, hat in Deutschland keinen Anspruch auf Kindergeld.

 

Normenkette

AO §§ 1, 9; EStG § 62

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 20.03.2014; Aktenzeichen V R 45/11)

BFH (Urteil vom 20.03.2014; Aktenzeichen V R 45/11)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger als polnischer Arbeitnehmer, der von seinem polnischen Arbeitgeber für einige Monate nach Deutschland entsandt wurde, Anspruch auf Kindergeld hat.

Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Polen. Er ist verheiratet, seine Ehefrau wohnt ebenfalls in Polen. Für die am 15. Januar 1992 geborene Tochter P beantragte er im Juni 2008 Kindergeld. Hierzu wurden die Einkommensteuerbescheide für 2004, 2005 und 2006 vorgelegt. Weiterhin wurden Bescheinigungen des Arbeitgebers, der Fa. I in Polen vorgelegt, aus denen hervorgeht, dass der Kläger vom 10. Mai 2004 bis 30. September 2004, 14. März 2005 bis 13. März 2006 und vom 3. Juli 2006 bis 2. Juli 2007 im Rahmen eines Werkvertrages nach Deutschland entsandt war (Bl. 18 f. Kindergeldakte).

Mit Bescheid vom 17. Juli 2008 hat die Beklagte den Antrag auf Kindergeld abgelehnt. Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 19. August 2008 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Beklagte aus, ob deutsches Kindergeldrecht anwendbar sei, bestimme sich im Verhältnis zu anderen Staaten der Europäischen Union -EU- bzw. des Europäischen Wirtschaftsraumes -EWR- nach den Regelungen der Verordnung (EWG) 1408/71 (VO) bzw. der hierzu ergangenen Durchführungsverordnung (EWG) 574/72 (DVO). Zweck der VO sei es, Überschneidungen der nationalen Rechtsvorschriften zu verhindern. Weise ein Antragsteller, der dem Geltungsbereich der VO unterfalle, Anknüpfungspunkte und Beziehungen zu mehreren EU-/EWR-Mitgliedsstaaten auf, regele sich nach den Kollisionsnormen des II. Teils der VO, welches nationale Recht Anwendung finde. Artikel 13 bis 17 a VO bestimmten unter Verdrängung aller Kollisionsnormen nationalen Ursprungs, dass nur das Sozialrecht eines einzigen Staates auf den Betroffenen anwendbar sei. Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedsstaates von einem Unternehmen, dem sie gewöhnlich angehöre, im Lohn- oder Gehaltsverhältnis beschäftigt werde und die von diesem Unternehmen zur Ausübung einer Arbeit für dessen Rechnung in das Gebiet eines anderen Mitgliedsstaates entsandt werde, unterliege gem. Art. 14 Abs. 1 Buchst. a VO weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedsstaates, wenn die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit 12 Monate nicht überschreite und sie nicht eine andere Person ablöse, für welche die Entsendezeit abgelaufen sei. Der Nachweis über die Fortgeltung der Sozialvorschriften des Entsendestaates werde regelmäßig über eine Bescheinigung E101 geführt, die auf Antrag des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers von der zuständigen Behörde des Entsendestaates ausgestellt werde (Art. 11 Abs. 1 DVO). Der Antragsteller sei von seinem Arbeitgeber mit Sitz in einem anderen EU-/EWR-Mitgliedsstaat vorübergehend i.S. von Art. 14 Abs. 1 VO nach Deutschland entsandt worden. Er unterliege daher hinsichtlich des Kindergeldes allein den Regelungen des Entsendelandes, nicht aber den deutschen Rechtsvorschriften. Die vorgebrachte Einlassung, dass das sog. "Bosmann-Urteil" des Europäischen Gerichtshofes hier Anwendung finden würde, sei nicht relevant für den vorliegenden Sachverhalt.

Mit der Klage trägt der Kläger vor, die seitens sowohl von der Finanzverwaltung als auch der Finanzgerichtsbarkeit der Verordnung (EWG) 1408/71 beigemessene Ausschlusswirkung im Sinne einer verbindlichen Rechtsnormbestimmung habe diese nicht. In einem "Grundfall", ein Deutscher beantrage Kindergeld, würde die Beklagte die Vorschriften der §§ 62 f. Einkommensteuergesetz -EStG- zur Prüfung heranziehen. Bei einer in einem anderen Mitgliedstaat der Sozialversicherungspflicht unterliegenden Person werde zu Unrecht eine von der Verordnung getroffene Rechtswahl unterstellt. Diese von den Finanzgerichten angenommene angebliche "Sperrwirkung" der VO 1408/71 sei vom EuGH (nunmehr) ausdrücklich für gemeinschaftswidrig erklärt worden. Nach der unmissverständlichen Entscheidung des EuGH sei für die Frage, ob der Antragsteller in diesem Fall die Sozialleistung im jeweiligen Mitgliedstaat erhalten könne, allein maßgeblich, ob der Antragsteller die Voraussetzungen der maßgeblichen Vorschriften in diesem Staat erfülle. Erfülle er diese, bestehe ein Anspruch des Antragstellers in diesem Mitgliedstaat. In Anwendung der Entscheidung des EuGH bestehe der vom Kläger geltend gemachte Anspruch. Der Kläger leite seinen Anspruch auf eine Behandlung als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig im maßgeblichen Zeitraum her, weshalb er fü...

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